„selbstwirksamkeitserfahrungen“, auf die man verzichten könnte.

„Berlins Eltern machen zurzeit Selbstwirksamkeitserfahrungen. Mit viel Arbeit und erfolgreichen Protesten setzen sie ihre Ziele durch.
Selbstwirksamkeitserfahrungen lautet das Zauberwort aus der Pädagogik. Was damit gemeint ist: Lehrer sollen den Schülern zu Erfolgserlebnissen verhelfen, sollen ihnen die Möglichkeit geben, etwas selbst zu tun, ihre eigenen „Werke“ bewundern zu können, damit sie wieder Mut und Kraft haben für neue Herausforderungen. Selbstwirksamkeitserfahrungen machen zurzeit auch Berlins Eltern. Jüngstes Beispiel: Ihr erfolgreicher Protest gegen die Streichung der Therapeutenstellen an Pankows Sonderschulen.“ [#]

presseinformation aus pankow/ prenzlauer berg.

„Therapeutische Versorgung für behinderte und schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler bleibt gesichert: Haushaltsplanentwurf sieht Finanzierung vor. Am 7. Juli 2009 hat das Bezirksamt Pankow den Entwurf des Doppelhaushaltsplans für die Jahre 2010 und 2011 beschlossen. In diesem Entwurf bleibt die Finanzierung der medizinisch-therapeutischen Versorgung durch Therapeuten des Gesundheitsamtes für Schülerinnen und Schüler mit geistiger und körperlicher Behinderung gesichert. Damit hat das Bezirksamt die Sorgen der Eltern von schwer- und schwerstmehrfachbehinderten Schülerinnen und Schülern sehr ernst genommen und im Ergebnis eines Abwägungsprozesses davon abgesehen, die im Rahmen pauschaler Einsparvorgaben vorgesehenen Stellen der Therapeuten an den Sonderschulen zu streichen.“

(Unser Protest gegen die Therapeutenkürzung war erfolgreich, aber nun geht es wieder mit den Schulhelfern los. Im halbjährlichen Rhythmus werden alle notwendigen Leistungen in Frage gestellt und werden immer neue Proteste nötig, das geriert sich schon zum Vollzeitjob. Ob das so geht, bis John die Schule verlässt? Naja, wollen wir mal nicht zuversichtlich werden, wahrscheinlich geht es nach der Schulzeit mit Wohnheim- und Werkstattfragen weiter.)

doch kein champagner, ganz im gegenteil sogar [schulhelfer].

Diese Woche wurden die Verhandlungen über die Zumessung von Schulhelferstunden an den Berliner Förderzentren entsprechend der neuen Verfahrensverordnung mit den Koordinatoren der Schulaufsicht in den Bezirken abgeschlossen. Basierend auf den Bedarfszahlen des Schuljahres 2007/2008 hatte die Finanzverwaltung ein Budget von 8 Mio. € zur Verfügung gestellt. Unklar ist, warum man nicht mit den tatsächlichen Bedarfszahlen des laufenden Schuljahres kalkuliert hat. Im laufenden Schuljahr wurden nämlich 9,5 Mio. € benötigt, so fehlen schon jetzt mind. 1,5 Mio. € um den bestehenden Bedarf zu decken.

Ein Problem für die Förderzentren ist der steigende Bedarf bei der Integration in Regelschulen: da die Integration laut Schulgesetz Vorrang hat, werden den Förderzentren Schulhelferstunden entzogen und an die Regelschulen gegeben. Die Integration geht auf diese Weise zu Lasten der am schwersten beeinträchtigten Kinder. Wer Integration will, darf sich das dafür nötige Geld nicht ausgerechnet von den schwerstbetroffenen Kindern holen, die auch in Förderzentren Schulhelfer brauchen, um überhaupt ihr Recht auf Bildung zu verwirklichen. Wenn der Senat nicht möchte, dass wir plötzlich alle schwerstbeeinträchtigten Kinder zur Integration an Regelschulen anmelden, (einmal abgesehen davon, welche zusätzliche Last wir unseren betroffenen Kindern damit aufbürden würden), dann muss er die Versorgung in den Förderzentren gewährleisten.

Auch die Schulhelfer an den Förderzentren sind integrativ tätig. Bestimmten Kindern wird es erst durch den Schulhelfer ermöglicht, überhaupt eine Schule zu besuchen, Teil einer Gemeinschaft zu sein und das Recht auf Bildung nicht mittels Hausunterricht erfüllt zu bekommen.

Das Budget von 8 Mio. € ist gedeckelt, man orientiert sich also nicht am tatsächlichen Bedarf. Die Verteilung der Stunden durch die Koordinatoren der Bezirke an die Schulen wurde pauschalisiert, es sind kaum Anträge gesichtet worden, die Stunden sind also nicht dem Bedarf entsprechend verteilt worden. Die Aufteilung des Budgets erfolgte nach Zahl der Integrations-Schüler und Zahl der Förderzentren in den Bezirken, der Hochrechnungsfaktor für Integrations-Schüler liegt bei 4, der Faktor für Förderzentren bei 1, d.h. Bezirke mit mehreren Förderzentren sind am stärksten von den Kürzungen betroffen. Die Gesamtschülerzahlen in den Bezirken wären die realistische Grundlage zur Verteilung des Budgets gewesen, bzw. die tatsächliche Anzahl der gestellten Anträge, die alle Zugangsvoraussetzungen erfüllen.

Ein Beispiel: in Pankow bekommen die Panke-Schule und die Helene-Haeusler-Schule nur noch 50 Stunden/ Woche für die gesamte Schule, die Buggenhagen-Schule 60 Stunden. An der Panke-Schule waren für das neue Schuljahr 180 Stunden – rechtmäßig mit allen Zugangsvoraussetzungen – beantragt, nur 50 wurden zugemessen. An der Helene-Haeusler-Schule sind es 155 benötigte Stunden, auch hier wurden nur 50 bewilligt, also knapp ein Drittel. Wie sollen die Schulen mit dem Förderschwerpunkt “geistige Entwicklung” die Kinder mit diesen viel zu geringen Zumessungen beschulen? Schon vorher haben sie am Limit gearbeitet.

Trotz mehrfacher Zusage von Planungssicherheit für ein volles Schuljahr werden die wenigen Stundenbewilligungen außerdem zwar womöglich für ein Schuljahr ausgestellt, aber die Gelder stehen nur pro Kalenderjahr zur Verfügung, so dass die neuen Verträge der Schulhelfer schon wieder am 31.12.2009, nach nur vier Monaten Laufzeit, enden werden. Somit gibt es weiterhin keine Planungssicherheit, nicht für Schulen, nicht für die Schulhelfer, nicht für die Eltern und somit auch nicht für eine planbare Perspektive unserer betroffenen Kinder und Jugendlichen.

Aufgrund der desaströsen Kürzungen müssen die freien Träger vielen Schulhelfern mit dem Auslaufen ihrer Verträge zum 31.07.2009 kündigen. Wie (und ob) die schwerstbeeinträchtigten Kinder und Jugendlichen nach den Sommerferien beschult werden, ist völlig unklar.

(Das gilt auch für John, der unter diesen Bedingungen die Schule nicht voll besuchen können würde, sondern wahrscheinlich nur 2-3 Tage pro Woche. Das wäre es dann auch gewesen mit meiner Berufstätigkeit. Ich habe heute gleich beim Jugendamt einen Eilantrag auf Eingliederungshilfe für die Schule gestellt, was wahrscheinlich negativ beschieden wird, da die Eingliederungshilfe gesetzesmäßig nachrangig ist, und eigentlich die Bildung die Kosten tragen müsste. Also bereiten wir uns mit vielen Familien auf eine Sammelklage vor. Die ganze Protestmaschine ist auch schon wieder in Bewegung, morgen vielleicht schon ein erster Zeitungsartikel.)

Aktuelle Meldungen zur Lage sammeln wir bei Twitter/Schulhelfer.

biopolitik.

NPR versucht anhand eines Fotos die Lobbyisten zu identifizieren, die in Washington für Obamas Reform des Gesundheitssystems um die Durchsetzung ihrer Interessen buhlen. Laut NPR ist ein Sechstel der Wirtschaft von der Reform betroffen.

Derweil kann man bei USA Today die finanziellen Verbindungen von medizinischen Experten zur Pharmaindustrie nachlesen: „Conflicts of interest bedevil psychiatric drug research.“ Es geht um die Neuauflage des „Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen“ (DSM-5), die 2012 erscheinen soll [verschoben auf Mai 2013]. Daran arbeiten 160 Experten, von denen 68% wirtschaftliche Verbindungen zu Medikamentenherstellern eingeräumt haben. Die Kardinalsfrage ist, ob jemand unabhängig Krankheitsbilder neu definieren kann, wenn er viel Geld von der Pharmaindustrie einnimmt.

Die Debatte hat eine enorme Brisanz, und zwar auch für Deutschland. Mir ist unbegreiflich, dass man sich hier in der Öffentlichkeit so wenig dafür interessiert. Auch hier gelten die Diagnosestandards des DSM (oder des komplementären ICD der Weltgesundheitsorganisation), also werden die Veränderungen des DSM auch für unser Gesundheitssystem potentiell enorme Folgen haben. Was gilt als Krankheit? Immer mehr Erscheinungbilder werden aufgenommen, was nicht zuletzt der Pharmaindustrie zuträglich ist, denn mit zunehmender Pathologisierung können sie immer mehr Psychopharmaka verkaufen. Letztes Jahr betrug der Umsatz von antipsychotischen Medikamenten in den USA $14,6 Milliarden, sie führten damit die Liste der verkauften Medikamente an. Antidepressiva brachten es auf immerhin $9,6 Milliarden. Auch in Deutschland ist dies ein Riesengeschäft, und auch in Deutschland gibt es immer mehr Therapeuten und Gesundheitsexperten.

Seitdem die Mitarbeiter an der Neuauflage des DSM ihre Verbindungen zur Industrie transparent machen müssen, lassen sich so einige „medizinische“ Entwicklungen von einer ganz neuen Warte aus betrachten, nämlich als finanziell motiviert und als anschließend kulturell ausgeformt. Dazu später mehr, zunächst zurück zur Neuauflage des DSM.

Schon letztes Jahr hat es erste Debatten gegeben, ich hatte darauf auch schon einmal hingewiesen. In den USA ist nun ein noch heftigerer Streit entbrannt: „A Warning Sign on the Road to DSM-V: Beware of Its Unintended Consequences.“ Dr. Allen Frances fällt darin ein vernichtendes Urteil: „I believe that the work on DSM-V has displayed the most unhappy combination of soaring ambition and weak methodology.“ Die Verteidigung der „American Psychiatric Association“ erfolgte sofort. Sie wirft den Kritikern wiederum selbst finanzielle Interessen vor, da diese als Mitverfasser des DSM-IV noch Tantiemen verdienen, die mit der Neuauflage auslaufen. Danach eilte Dr. Spitzer zur Verteidigung von Dr. Frances: „APA and DSM-V: Empty Promises.“

Finanzielle Interessen allerorten also, aber was heißt das nun konkret für den Patienten? Betrifft uns das alles überhaupt? Ja, denn die Veränderungen in den Diagnosekriterien haben unumgängliche kulturanthropologische Folgen. Im Fall von Autismus zum Beispiel kann man leicht nachweisen, wie sehr die Veränderungen der Diagnosekriterien bei den jeweiligen Neuauflagen des DSM die Diagnosezahlen, und damit auch Behandlungen von und Sichtweisen über Autismus, beeinflusst haben.

Zwischen der Ausgabe DSM-III im Jahr 1980 und DSM-III-R im Jahr 1987 wurden die Bewertungskriterien derart unkonkreter, dass bei einer Testgruppe von 194 Kindern 51% nach DSM-III dem autistischen Spektrum zugeordnet wurden, nach DSM-III-R beurteilt stieg die Zahl bei denselben Kindern von 51% auf 91% an. Dabei muss man noch im Auge behalten, dass in der Ausgabe DSM-III-R aus dem Jahr 1987 das Asperger-Syndrom noch gar nicht zum Spektrum gehörte, es wurde erst 1994 im DSM-IV hinzugefügt.

Ähnliche Zahlen wie in den Testgruppen der USA stellten Kusch und Petermann 1991 auch für die Bundesrepublik Deutschland fest: nach DSM-III gab es demnach 2.200 Autisten unter 18 Jahren, nach DSM-III-R 20.000. Im Jahr 2000 verglichen drei Forscher in Finnland die Diagnosekriterien von Kanner aus dem Jahr 1943 mit den Diagnosekriterien des ICD-10 (dem Handbuch der Weltgesundheitsorganisation, das dem DSM-IV gleichwertig ist). Bei der Kanner-Statistik kamen sie auf 5,6 Autismusdiagnosen pro 10.000 Menschen, bei der ICD-10-Statistik auf 12,2 pro 10.000.  An allen Tests ist unschwer zu erkennen, wie stark die Prävalenz von der Definition abhängt.

Mit Einführung des DSM-IV im Jahr 1994 hatte man angeblich das Spektrum der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen wieder näher eingrenzen wollen. Die Kriterien für die Autismusdiagnose wurden 1994 also spezifischer als im DSM-III-R von 1987, allerdings waren sie nach wie vor weniger spezifisch als im DSM-III von 1980. Zudem fügte man das Asperger-Syndrom hinzu, sowie auch den atypischen Autismus, dessen Definition so offen ist, dass er einer Vielzahl von Grenzdiagnosen Tür und Tor öffnete. Zu guter Letzt unterlief den Autoren dann noch ein Fehler in der Korrektur der Manuskriptfahnen: aus „Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und der verbalen/ nonverbalen Kommunikation“ wurde „Beeinträchtigung der sozialen Interaktion oder der verbalen/ nonverbalen Kommunikation oder stereotypische Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten.“ Die angebliche Absicht der Autoren war es gewesen, dass Autismus nur dann vorliegt, wenn eine Beeinträchtigung in mehr als einem Bereich vorliegt, stattdessen reichte nach der gedruckten Ausgabe nun eine Beeinträchtigung in einem einzigen Bereich für eine Autismusdiagnose aus. Das gesetzte Ziel einer näheren Eingrenzung wurde durch die verschiedenen, gerade beschriebenen Faktoren torpediert und das Gegenteil trat ein. Ich bin schon so paranoid, dass ich mich frage, ob der Fehler in den Manuskriptfahnen wirklich ein Fehler war, oder am Ende nicht doch beabsichtigt. Aber alleine mit der Aufnahme des atypischen Autismus hatte man wahrscheinlich schon genug getan, um Diagnosen auszuweiten.

Tatsache ist, dass die Autismus-Diagnosezahlen enorm ansteigen, obwohl es keine wissenschaftliche Erklärung für eine solche Zunahme gibt. Mit ansteigenden Zahlen öffnet sich natürlich auch ein Markt, der Bedarf nach Therapeuten und Experten steigt, es werden den Diagnostizierten immer mehr Medikamente verabreicht und immer neue Therapie-Ideen offeriert. Auch wenn mein eigenes Kind ein ganz klassischer Fall ist, der noch unter den strengsten Kriterien diagnostiziert werden würde, fühle ich mich diesem Sog ausgeliefert. Manchmal möchte ich nichts mehr hören über Therapien und immer neue Experten. Ich möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden mit meinem Kind, aber durch die Diagnose entstehen natürlich foucault’sche biopolitische Mechanismen, denen man kaum entkommen kann.

Zunächst werden Strukturen geschaffen (DSM), die einen Markt eröffnen (für Ärzte, Therapeuten, die Pharmaindustrie), die dann im gemeinsamen Wechselspiel den Markt immer mehr ausweiten: DSM-Neuauflagen treiben die Pathologisierung voran, begleitend dazu wird mit Epidemisierungsdebatten ein dringlicher Handlungsbedarf suggeriert, woraufhin die Experten schon ihre neuesten Behandlungsideen aus der Tasche zücken können usw. Im Verlauf der kulturellen Einprägung dieser Biopolitik wird der entstehende Sog für jeden einzelnen immer stärker.

Als einzig hilfreich habe ich es bisher empfunden, diesen Mechnismen wenigstens auf den Grund zu gehen und nachzuvollziehen, wie sie entstehen. Auch aus seiner nicht selbst verschuldeten Unmündigkeit muss man sich herauszuschälen versuchen. Dank Internet und zunehmenden Transparenzvorgaben kann man das heute wenigstens ansatzweise tun. Die Diskussionen um die Neuauflage des DSM werfen den Schatten dessen voraus, was in biopolitischer Hinsicht auf uns zukommen wird.

der guten nachricht folgt die schlechte auf dem fuße.

Champagner! Ein kräftezehrender anderthalbjähriger Protest kommt augenscheinlich zu einem erfolgreichen Ende: in der Plenarsitzung des Berliner Senates wurde gestern in den mündlichen Anfragen über die Zukunft der Schulhelferversorgung an den Förderzentren gesprochen (Minute 44-49). Senator Zöllner hat erstmals öffentlich bekanntgegeben, dass es auch weiterhin und langfristig Schulhelfer an Förderzentren geben wird, und dass die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung sich über die Finanzierung mit der Senatsverwaltung für Finanzen geeinigt hat. (Jetzt müssen wir allerdings noch abwarten, wie es mit der tatsächlichen Umsetzung aussieht, am 23. Juni haben wir den nächsten Termin in der Senatsverwaltung.)

So weit die gute Nachricht. Die schlechte: nun plant das Bezirksamt Pankow die Physiotherapeuten an den Förderzentren ersatzlos zu streichen. Die Pläne sind anscheinend schon weit fortgeschritten oder gar beschlossen, aber wir Eltern haben gerade erst davon erfahren. Wir haben uns schnell mit den Elternvertretungen verschiedener Schulen zusammengeschlossen und eine Resolution gegen diese Pläne verfasst.

Die Arbeit der Physiotherapeuten an den Förderzentren ist elementar wichtig. Für John jetzt nicht so unbedingt, weil er motorisch sehr aktiv ist, aber gerade Kinder mit körperlichen Behinderungen, schwerst-mehrfachbehinderte Kinder, Kinder im Rollstuhl sind auf die physiotherapeutische Versorgung angewiesen: ohne diese Therapien verkrampfen sich die Muskeln oder ganze Gliedmaßen, was zu schweren Beeinträchtigungen führt. Meine Kinderärztin sagte mir erst gestern, dass einige Kinder ohne Physiotherapie auf Dauer im Rollstuhl landen, obwohl sie bei ausreichender Förderung nicht im Rollstuhl sitzen müssten.

Der Bezirk meint anscheinend, dass die Eltern die physiotherapeutische Versorgung außerhalb der Schule selbst gewährleisten können, aber das ist aus vielerlei Gründen problematisch: die Kinder sind bis nachmittags in der Schule und Therapien im Anschluss an den langen Schultag sind wenig effektiv; die Eltern können gerade schwerst-mehrfachbehinderte Kinder oft nicht selbst irgendwohin bringen; viele Eltern sind zudem berufstätig; andere Eltern wiederum kümmern sich nicht genügend um die Therapien ihrer Kinder, in dem Fall wird erst durch die Schule die ausreichende Versorgung und Förderung gewährleistet etc.

Wir haben unsere Resolution an die Medien und bildungpolitischen Sprecher aller Parteien geschickt, sowie auch sonst breit gestreut (Elternvertretungen, Behindertenbeauftragte etc.)

Resolution gegen den Sparwahn in Pankows Sonderschulen

Wir Elternvertreter der Schulen mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Körperlich-motorische Entwicklung“ im Bezirk Pankow protestieren mit dieser Resolution entschieden gegen die an unseren Schulen geplante Streichung der therapeutischen Fördermaßnahmen.

An unseren Schulen sind Therapeutinnen und Therapeuten tätig, die beim Gesundheitsamt Pankow angestellt sind und in enger Zusammenarbeit mit Lehrern und Eltern die Entwicklung unserer Kinder unterstützen. Diese Einzelförderung ist, wie in allen anderen Berliner Bezirken auch, unverzichtbarer Bestandteil des Bildungsauftrags unserer Schulen und trägt wesentlich zu schulischer und gesellschaftlicher Integration unserer Kinder bei.

Der Bezirk Pankow plant nun aufgrund der Sparvorgaben des Landes Berlin, die Therapeuten und Therapeutinnen aus unseren Schulen ersatzlos abzuziehen. Diese Sparmaßnahme würde dazu führen, dass der integrative Ansatz unserer Schulen nur noch ungenügend erfüllt werden könnte und unseren Kindern ein wesentliches Element ihrer individuellen Förderung genommen würde.

  • Wir empfinden diese Kahlschlagpläne als den unverhohlenen Versuch, zulasten von Kindern mit Behinderungen die Sanierung des Bezirkshaushaltes zu betreiben.
  • Wir empfinden die vorgeschlagene Streichung der Therapeuten-Stellen als eine Bankrotterklärung der Politik an ein integratives Schulsystem.
  • Wir können nicht nachvollziehen, dass ein solcher Vorschlag ernsthaft diskutiert und zugleich Bildung als wichtigstes Zukunftsthema in unserem Land benannt wird.
  • Wir werden nicht zulassen, dass unsere Kinder und Schulen wegen der augenscheinlichen politischen Handlungsunfähigkeit von Bezirk und Senat an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden!
  • Wir Eltern fühlen uns in unseren Bemühungen, in enger Zusammenarbeit mit den Schulen eine positive Entwicklung unserer Kinder zu erreichen, vom Berliner Senat und der Pankower Bezirkspolitik im Stich gelassen.
  • Wir fordern von der Senatorin für Gesundheit, die jahrelange Untätigkeit ihres Hauses auf diesem Gebiet zu beenden und gemeinsam mit den Bezirken konstruktive Lösungsvorschläge zu entwickeln!
  • Wir fordern eine individuelle und optimale Förderung für unsere Kinder – nicht mehr und nicht weniger steht uns und unseren Kindern zu!

Wir verlangen von allen politisch Verantwortlichen im Bezirk und auf Landesebene, den Plänen des Bezirksamtes Pankow die Zustimmung zu verweigern und die beabsichtigte ersatzlose Streichung der Therapiemaßnahmen an unseren Schulen unverzüglich zurückzunehmen.

Elternvertretung der Helene-Haeusler-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Marianne-Buggenhagen-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Panke-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Biesalski-Schule, Berlin Steglitz-Zehlendorf

pick one.

„Autism takes biological toll on mothers“ (Note to self: immer schön die zu geringe Stresshormonproduktion bedenken, die fördert nämlich negatives Denken. In Zukunft alles bewusst positiv sehen | mal sehen, wie lange man das so durchhält.)

Eigentlich ganz okay: wie sich Ärzte selbst überflüssig machen. Ich rief heute die Neurodermitis-Sprechstunde in der Virchow-Klinik an, weil John einen akuten Ausbruch von Neurodermitis hat (die er im Alter von drei Jahren ursprünglich als Nebenwirkung nach der Einnahme eines bekanntermaßen Hautprobleme verursachenden Antikonvulsivums entwickelt hat). Den nächsten Termin kann ich am 28. September bekommen. Die nette Dame hat auf meine Bitte extra noch einmal nachgesehen, blätterte eine Weile in ihrem Kalender, murmelte hier und da etwas Unverständliches, und kam dann zurück ans Telefon mit der Erkenntnis: „Nein, tut mir leid, vor dem 28.9. kann ich Sie nirgendwo dazwischen quetschen.“ Da die Medizin bisher in John-Fragen noch immer gescheitert ist, vielleicht auch nicht weiter schlimm. (Da zahlt sich das positive Denken doch schon aus.) Neurodermitis-Sprechstunde adé, auch dieses Problem werde ich vermutlich alleine genauso gut lösen. [Weiß nicht, warum ich zwischendurch überhaupt noch immer Anwandlungen bekomme, Ärzte tatsächlich mit der Hoffnung auf Hilfe aufsuchen zu wollen | verrückte und überholte Idee aus dem letzten Jahrhundert.]

In den USA haben 60% aller Privatinsolvenzen einen medizinischen Hintergrund [21. Jahrhundert]

Pick one [#]

was noch war.

Lange Zeit wollte ich ein Buch über Autismus schreiben, ohne es je tatsächlich zu beginnen. Dann hatte ich im Winter plötzlich viel Zeit, setzte mich im Januar einfach an meinen Schreibtisch und begann zu schreiben. Ich ging in die Stabi am Potsdamer Platz und lieh mir einen großen Stapel Bücher aus, las sie alle, brachte sie zurück und holte einen neuen Stapel, so ging das drei Monate lang, viel habe ich auch im Internet gelesen. Dabei schrieb ich so vor mich hin, nur mit einer groben Idee, wohin mich das tragen könnte. Soll das wissenschaftlich werden, oder persönlich, nichts wusste ich, ich schrieb einfach erstmal alles auf, was ich aus den Büchern und Artikeln interessant fand, und was mir selbst dazu und darüber hinaus einfiel. Januar, Februar und März waren hochkonzentrierte Monate, in denen ich jede freie Minute zum Lesen und Schreiben nutzte. Dann kamen die Osterferien, der Urlaub in Schweden, und viele Reisegruppen im April und Mai, zwei Monate lang habe ich nur gearbeitet, und das Geschriebene nicht ein einziges Mal wieder angesehen. Jetzt ist die letzte Gruppe weg, ich habe alle Abrechnungen erledigt, ich habe das Badezimmer geputzt, was gibt es noch zu tun, zwei Tage lang lief ich mit einem mulmigen Gefühl an meinem Computer vorbei, und traute mich nicht, das im Winter Geschriebene anzusehen. In den zwei Monaten hatte sich in mir nämlich der dringende Verdacht ausgebreitet, dass ich vielleicht nur Blödsinn geschrieben habe, dass das nirgendwohin führt, vielleicht wäre es gar am besten, die Datei einfach nie wieder anzusehen, was könnte da schon Wertvolles drinstehen und vor allem, wen sollte das interessieren. Heute habe ich den Text dann endlich doch geöffnet, zu lesen begonnen, und das, was ich lese, ist mir in den zwei Monaten tatsächlich schon ganz fremd geworden, es liest sich wie ein Text von jemand anderem, aber die gute Nachricht ist, dass mich das, was ich lese, wirklich interessiert, dass ich es gut finde, jedenfalls gut genug, um das Projekt wieder aufzunehmen. 162 Seiten sind immerhin schon da, ich sehe, woran noch gearbeitet werden muss, welche Perspektiven fehlen, welche Bücher ich unbedingt noch aus der Stabi holen muss, denn ich sehe, wo es weitergeht. Zum Glück. Ob ich dann am Ende einen Verlag dafür finde und ob das überhaupt sonst noch jemanden interessiert, soll mir bis auf Weiteres erstmal egal sein.

growing old with autism.

„When I was writing my book about my brother, Boy Alone, I wished I had a story of hope and salvation. It is miracles that sell books. There seems to be an insatiable demand for narratives that end in triumph over an affliction: the cripple walks, the mute speaks, the autistic boy laughs and hugs and cries. We hunger for that uplifting journey, as opposed to the cruel odyssey I had to tell. What did I have to offer? My adult brother, still autistic, still nonverbal, still lost. As much as I hope that all the autistic boys and girls will get better, and as much as I can encourage their families to fight with all the hope they have, I also know that they will not all recover. The boy or girl will grow up, and there won’t be a miracle; instead there will be an effort.“ [#]

den bach runter.

Im Wahlkampf hatte Barack Obama wiederholt und explizit Stellung dazu bezogen, wie er die Rechte und die Versorgung von Menschen mit Behinderungen stärken möchte. Das Thema Behinderung bekam einen eigenen Stellenwert auf der Agenda seiner Website change.gov und die Texte wurden auch nach der Wahl auf die Website whitehouse.gov übernommen. Darin hieß es, dass sich Obama für den „Community Choice Act“ einsetzen wird, ein Gesetz, welches mehr Menschen ermöglichen soll, in ihrem familiären Umfeld leben zu können: „And fourth, support independent, community-based living for Americans with disabilities by enforcing the Community Choice Act, which would allow Americans with significant disabilities the choice of living in their community rather than having to live in a nursing home or other institution, creating a voluntary, budget-neutral national insurance program to help adults who have or develop functional disabilities to remain independent and in their communities, and streamline the Social Security approval process.“ [#]

Dieser Text ist nun gelöscht worden, stattdessen steht dort jetzt ein anderer Text, in dem keine Unterstützung des „Community Choice Act“ mehr vorkommt, die Verantwortung soll vom ursprünglich angedachten Bund doch wieder bei den Staaten verbleiben, die schon bisher nicht in der Lage waren, diese Versorgung zu gewährleisten, und die dies in Zeiten der Finanzkrise auch sicher nicht können werden. Der jetzige Text ist ein schwaches Lippenbekenntnis: „Too many people who need assistance with activities of every day life are faced with a difficult choice. They can move into a nursing home and face safety and quality of care problems or risk injury or death by staying in the community without adequate services to take care of personal needs. The President believes that more can be done to encourage states to shift more of their services away from institutions and into the community, which is both cost effective and humane.“ [#]

Alles, was bleibt, von all den Versprechen während des Wahlkampfs: der Präsident glaubt, dass die einzelnen Staaten mehr tun können. Man hatte geglaubt, dass der Präsident mehr tun könnte. Im April zeichnete sich diese Entwicklung aber bereits ab. 400 Behindertenrechtsaktivisten protestierten vor dem Weißen Haus, ketteten sich an den Zaun, 91 wurden festgenommen.

[ADAPT erklärt die Aktion auf der eigenen Website: 1 | 2]
[Auf „Nick’s Crusade“ gibt es ein Video zu diesem Thema.]

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