tddl 2009 [die bücher, zweiter teil].

Nach dem Bildungsprivileg von Preisendörfer habe ich gleich noch eins seiner Bücher gelesen, allerdings ein belletristisches: den unter dem Pseudonym Bruno Richard veröffentlichten Thriller „Desaster.“ (In der Stadtbibliothek Mitte gibt es nur diese beiden Preisendörfer-Bücher und „Der Kaiser vom Knochenberg“ von Karsten Krampitz, also habe ich mir die drei ausgeliehen.) „Desaster“ ist, im Gegensatz zum nüchternen Sachbuch, tatsächlich sehr belletristische Unterhaltung. Sprachlich hatte ich ein paar Probleme mit dem Roman. Die Passagen aus der Sicht eines Kindes beispielsweise finde ich übertrieben anbiedernd an eine mir auch schon veraltet erscheinende Jugendsprache: „Aber er gab zu, dass dieser Missgriff durch einen fetzigen Aluminiumroller mit Handbremse am Lenker und wunderschön glänzenden Schutzblechen über den Rändern wieder ausgeglichen worden war. Kein Kickboard, sondern ein richtiger Roller; voll fett, das Teil.“ (21) Das Ganze liest sich deshalb so problematisch, weil es einen auktorialen Erzähler gibt, und warum sollte der plötzlich so abdriften? Das klingt dann irgendwie falsch und patronisierend. Die Passage ist vielleicht auch ein ganz gutes Beispiel für zu viele Adjektive. Außerdem gibt es in dem Buch für meinen Geschmack viel zu viele Personen und Perspektiven. Die Geschichte springt permanent zwischen Handlungssträngen hin und her, und dann tauchen auch noch immer zusätzliche Außenimpressionen auf, wie etwa, was Nelson Mandela und Ceausescu gerade tun. Das Buch wirkte darum auf mich zu überladen, weniger wäre mehr gewesen. Es ist kein schlechtes Buch, doch toll fand ich es auch nicht gerade. Ich bin aber sehr gespannt auf Preisendörfers Bachmanntext, denn das Sachbuch hat mir sehr gefallen und beim Bewerb wird er ja wohl nicht mit etwas so belletristischem wie „Desaster“ starten.

Als Nächstes las ich dann also „Der Kaiser vom Knochenberg“ von Karsten Krampitz, was mir deutlich besser gefiel als „Desaster.“ Vielleicht liegt es auch daran, dass mich humorvolles Erzählen über das Aufwachsen in der DDR mehr interessiert als eine wilde Jahrtausendwende-Diamanten-Geschichte. Jedenfalls gibt es bei Krampitz richtig gute Dialoge, einen angenehmen Erzählfluss ohne zu viel Brimborium und einen erfrischenden Ich-Erzähler (kurz fühlte ich mich an „Müller haut uns raus“ von Jochen Schmidt erinnert, obwohl es ein ganz anderes Buch ist, aber es gibt in beiden Büchern dieses angenehm selbstironische, augenzwinkernde Erzählen des Aufwachsens). Teilweise war mir der „Kaiser vom Knochenberg“ allerdings etwas zu flapsig, aber das hielt sich noch in Grenzen. Ich habe das Buch einfach gerne gelesen – wie ich ja auch sowieso der Meinung bin, dass die DDR noch lange, lange nicht ausgeschrieben ist (wie man so sagt, oder besser: worüber man letzten Sonntag diskutierte). Letzten Sonntag war ich nämlich beim Literaturfest am Kollwitzplatz, wo Salli Sallmann u.a. mit der Autorin Annette Gröschner und dem Verleger Christoph Links auf dem Podium darüber sprach, wie es sich mit der Ostliteratur verhält, ob man sie heute überhaupt noch unterscheiden könne von Literatur aus dem Westen, ob es diese Kategorien noch gebe, und vieles mehr rund um die DDR, das Schicksal der Ost-Verlage nach der Wende etc. Ein tolles und anregendes Gespräch war das, nebenbei bemerkt (so was erhoffe ich mir von Bachmann dieses Jahr auch). Dabei kam irgendwann die Rede darüber auf, ob es eine Sättigung gebe, was das Erzählen über die DDR betreffe. Es stand so im Raum, dass die Menschen darüber nicht mehr lesen wollen, und die Autoren quasi gegen den Trend dennoch darüber schreiben. Ich weiß nicht, woher diese Vermutung kommt, jedenfalls verstehe ich sie nicht. Ich glaube eher, dass das Gegenteil der Fall ist. Man will das lesen, auf jeden Fall, und ich glaube auch, dass da noch Einiges kommen wird.

Während ich auf Frau Soprans Päckchen mit mehr Büchern von Bachmann-Anwärtern warte, bin ich dem Bewerb kurzfristig untreu geworden und lese Non-Bachmman: Christoph Schlingensiefs „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung.“ (In den Neunzigern gingen wir immer zu seinen Talkshows „Talk 2000„, fällt mir da gerade wieder ein, daran habe ich schon ewig nicht gedacht.) Ich mag Christoph Schlingensief, und bisher mag ich sein Buch auch, sogar ziemlich sehr.

1 thought on “tddl 2009 [die bücher, zweiter teil].

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    […] Gedankenträger […] aber Mittwoch fährt eben auch unser geschätzter Kollege Karsten Krampitz nach Klagenfurt, […]

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