tddl 2011 [maximilian steinbeis: pascolini].

Am Wochenende wieder mal Ausflug aufs Land, in Bad Freienwalde den Hügel zum Aussichtsturm erklommen, oben dann Pause mit Pascolini.

Eine rasante Geschichte, der erste Tote schon auf S. 28: mit einem schmiedeeisernen Schürhaken wird ihm mit einem einzigen Hieb die Schädeldecke zertrümmert. Trotzdem erscheint mir die Geschichte schnell sehr behäbig. Liegt es am schwerwiegenden Setting in der bayerischen Provinz oder vielleicht doch am Erzählstil? Nägel werden bleckend zwischen den Zähnen festgehalten, Lederhosen sind speckig, der Lauf des Revolvers glänzt schwarz-stählern. Neben einem Wust an Adjektiven, die die Erzählung überladen (und stellt sich nicht jeder Leser eine Lederhose schon von alleine speckig vor?), sorgen ausufernde Beschreibungen für (zu viel) Atmosphäre, so zum Beispiel die Beschreibung eines Flügels:

„Nichts Protziges, kein Renommierstück in schwarzweiß funkelnder Abendgarderobe, sondern ein braves braunes Gerät von behaglichen eins sechzig Metern Länge aus dem Leipziger Hause Blüthner, mit gedrechselten Säulchen und Perlmutteinlage über der Tastatur, geschaffen für jene halb private und halb öffentliche Praxis, die man mit dem schönen Wort Hausmusik bezeichnet. Er stand in dem kleinen Saal im hinteren Teil des Hauses, auf einem niedrigen Podest, in das man links und rechts je drei Stufen eingelassen hatte, als behäbiger Mittelpunkt einer etwas zerzausten Schar, bestehend aus einem Buffetschrank an der Wand, hinter dessen Glasscheiben zerfledderte Stapel von Notenbänden lagerten, aus einer Gruppe zusammenfaltbarer Notenständer, die ihre dürren Metallarme umständlich in alle Richtungen reckten, sowie aus einem in feldgraues Leinen gehüllten Violoncello, das einst dem Professor gehört hatte und seit dessen Ableben nebst Bogen stumm und plump an einer Hakenleiste an der Wand hing.“

Die detailreichen Beschreibungen sowohl der Personen als auch der Orte und Dinge machen mich nach etwa 50 Seiten sehr ungeduldig, Abbruch bei S. 68, mich interessiert das leider nicht weiter. Vielleicht ist es einfach zu heiß und zu schwül für so viel Dichte. Wem fabulierende Texte gefallen, der wird diesen Roman wahrscheinlich toll finden. Mir ist das Ganze manchmal einfach zu Käpt’n Blaubär: „Aus dem dünnen Frühnebel ragte mir eine Ecke des scheinbar verlassenen Gasthofgebäudes entgegen wie ein algenbehangener Schiffsbug. Ich fror mit einemmal unter meinem dünnen Mäntelchen.“

Prognose für den Bewerbstext, wenn er diesem Roman ähnelt: solide, fehlerlos recherchiert, wenig experimentell, leider aber auch sehr ausstaffiert. Durchaus ein möglicher Kandidat für einen Preis, ich sehe die Jury sowas mögen, sie werden sagen, wie schön das erzählt sei und so.

Unklare Physiognomie: eine sandige Kinnlade.

Freundliches Organ: Nase („Seine Nase war ein freundliches, durchaus kräftiges, dabei aber eher abgeplattetes Organ.“)

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