tddl 2011 [gunther geltinger: mensch engel].

Auf dem Foto das Buch in der Pivnice U černého vola (Zum Schwarzen Ochsen) in Prag. Pfingsten in Prag, eine sehr gute Idee, wie auch Gunther Geltingers dorthin mitgenommener Roman Mensch Engel. Zuerst Metapherngestöber, aber gerade als ich denke, es geht nicht, die gleiche Erkenntnis vom Protagonisten Engel: „Es ist, muss er zugeben, also vollkommen sinnlos, dass er hier in endlosen, mäandrierenden Sätzen und mit über die Ufer tretenden Sommermetaphern versucht, sich dieser Sache zu stellen.“

Das ist der kluge Ansatz des Romans, gleich im ersten Satz des Romans eingeführt: „Engel schreibt:…“, von Anfang an zwei Ebenen zu eröffnen: das, was Engel schreibt und das, was er selbst dann über das Geschriebene denkt. So wird es möglich, in dem, was Engel schreibt, dem Metapherngestöber freien Lauf zu lassen, und dieses dann jedes Mal rechtzeitig von der Reflexion zu brechen. Auf diese Weise wird das immer neue Anrennen gegen das, was Sprache nicht zu erfassen vermag, deutlich, ein gescheiterter Versuch nach dem anderen, eine erste Liebe zu beschreiben. Durch den Schulfreund Marius entdeckt Engel seine Homosexualität, und was diese Liebe und diese Erkenntnis auslösen, das ist wirklich gut geschrieben. Unvergesslich das Schafmassaker, Engel zählt keine Schäfchen, er gibt ihnen den Bolzenschuss, erst fünfzig, dann hundert, dann fünfhundert, so die Erzählung einer schlaflosen Nacht. „Als die Sonne aufging, lag der Schlaf in Schutt und Asche. Mit gefalteten Händen, zur Brust gezogenen Knien und vom Kopfkissen zerfurchtem Gesicht kauerte Engel noch eine Weile über dem Schlachtfeld und schaute zurück auf die Trümmer. Dann stieg er aus dem Bett. Es war Wochenende.“

Ich freue mich, dass ich dieses Buch durch die Bachmannvorbereitung entdeckt habe. Ich bin auf S. 58, werde hier aber keinesfalls abbrechen, sondern den Rest auf jeden Fall lesen. Vorläufige Prognose: wenn Gunther Geltinger im Bewerb einen ähnlich tollen Text liest, auf jeden Fall ein Top-Kandidat für den Preis.

Anderthalb-Faktor: Hoch. Mehrere Beiträge für den Verein zur Rettung des Anderthalb, zum Beispiel: „Der Vater, wusste Engel, würde in anderthalb Stunden aufstehen, weitere anderthalb Stunden später seine gähnende, im Brotfach nach frischen Brötchen kramende Schwester Juli…“

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