tarot. psychiatrie. übersetzung. [whatever.]

Dieser absurde Moment, der gar kein Moment war, sondern eine ganze Stunde, in der ich mit K. an einem Tisch in der Nolle saß, neben uns zwei Frauen, die Eine holte Karten aus ihrer Tasche, Spielkarten, dachte ich zuerst, es waren aber Tarot-Karten, die sie über den ganzen Tisch verteilte, und dann sagte sie Sachen wie: „Das ist natürlich klar, dass er ausgerechnet an dieser Stelle auftaucht“, tippte dabei auf eine Karte, fuhr fort: „Und dass bei Dir auch er immer wiederkommt, das hat natürlich auch eine Bedeutung“, tippte dabei auf eine andere Karte, „Und guck mal, diese Kombination hier, diese Drei“, ihre Hand schwebte suggestiv über einer anderen Ecke des Kartengebildes. Ihre Sätze vage im Raum, oft halbfertig, in einer bemerkenswert effektiven Mischung aus vielsagend, wenn auch nur andeutend.

Die Frau ihr gegenüber nickte immer wieder verständnisvoll. Wir aßen Salat, während am Nebentisch die Karten neu gemischt und gelegt wurden, jetzt ging es anscheinend um den Beruf: die Karten sagten, eine neue Berufung müsse gefunden werden, damit wieder Zufriedenheit einkehren könne ins Leben. Dann kam unser Hauptgang und die Kartenlegerin mischte und legte erneut, dabei lachte sie aufmunternd, denn die Besprechung der Berufssituation hatte die andere Frau beunruhigt, also sagte die Kartenlegerin betont versöhnlich: „Jetzt nur noch Dein Mann und Dein Kind, dann sind wir für heute durch, was?“ Die andere Frau nickte, dann wurde die Deutung der Familie am Nebentisch leise besprochen, wir hörten nur Gesprächsfetzen, unterhielten uns ja auch, am Ende hörte ich aber ein nachdrückliches Schlussplädoyer der Kartenlegerin: „Sie warten beide nur auf Dich: darauf, dass es Dir endlich wieder besser geht. Sie sind beide ganz fest bei Dir, wirklich. Dein Mann, Deine Tochter: den beiden geht es wirklich gut. Du musst Dir um sie keine Sorgen machen, wirklich nicht. Du musst Dich nur auf Dich selbst konzentrieren, denn sie warten auf Dich. Es ist alles gut, wirklich.“

Die Frau weinte dabei, und die Kartenlegerin drückte ihr die Hand. Die Frau beruhigte sich langsam, bedankte sich bei der Kartenlegerin, kramte in ihrer Tasche nach Geld, und gerade in dem Moment, in dem die Frau der Kartenlegerin Scheine in die Hand drückte, blockierte die Kellnerin zufällig unseren Blick, so dass wir nicht sahen, wie teuer diese Tarot-Sitzung war, aber interessant fand ich eh vor allem die Frage, ob man sowas dann doch gutheißen könnte: anfangs hatte ich mich innerlich amüsiert („Tarot, haha, so ein Quatsch“), das schwang dann ein bisschen in Ärger um als ich sah, dass es der Frau offenbar nicht gut ging, sie nach Hilfe suchte und dadurch womöglich ausgenutzt wurde, zurück blieb ich am Ende aber vor allem ratlos, denn die Frau war erleichtert, schien gestärkt. Ist es also doch egal, Hauptsache ihr geht es besser? Stimmt am Ende doch, was immer so locker dahin gesagt wird, was in meinen Ohren aber trotzdem schief klingt: „Wer heilt, hat Recht“? Schief, denn das Traurige ist ja: könnte man das Gleiche nicht auch mit einem Gespräch erreichen, kostenlos und ohne Karten oder anderen Hokuspokus, einfach nur mit einem Gespräch unter Freunden.

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What Is the ‚Bible of Psychiatry‘ Supposed to Do? The Peculiar Challenges of an Uncertain Science [#]

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„The students who come to translation are not looking to be out there in the fray of the conference, under the spotlights; they like the withdrawn, intellectual aspect of translation. Often their problem as they begin their careers is not so much the work itself, but the self-marketing required to find the work.“ [#]

3 thoughts on “tarot. psychiatrie. übersetzung. [whatever.]

  1. Antworten
    Angela - 14. August 2013

    ja sicher könnte man so ein Gespräch auch nur unter Freunden machen. Nur Freunde sind oft befangen, da sie ja auch einen gewissen Teil der Familie sind. Eine Kartenlegerin kann auch im Einzelfall eine psychologische Ausbildung mit Abschluss haben, was ich aber hier bei dieser Situation nicht vermute. Was ich etwas unseriös finde, dass offensichtlich so eine Beratung in aller Öffentlichkeit stattfand. Das ist in meinen Augen ein absolutes No Go. Da man doch sehr tief in die Privatsphäre des Ratsuchenden eindringt, ist das nicht für fremde Ohren bestimmt.
    Noch was allgemein zum Kartenlegen. Das Bild der Karten wiederspiegelt das Leben des Ratsuchenden wieder. Hier kann man sehr gut Problemsituationen aber auch Schönes sehen. Und es werden Lösungswege angeboten, die man dem Ratsuchenden anbieten kann. Aber jeder bestimmt selbst den Weg in seinem Leben und kann dementsprechend die Ratschläge annehmen oder nicht.

  2. Antworten
    Sabine - 21. Dezember 2013

    sicher kann man das auch mit Freunden erreichen, nur nicht jeder hat einen so guten Freund oder Freundin, der unparteiisch reagieren kann. Außerdem weiß jeder Ratsuchende auf was er sich beim Kartenleger einlässt und dass er die Dienstleistung auch entlohnen sollte.

  3. Antworten
    Susi - 17. Januar 2014

    Freunde sind auf jeden Fall wichtig im Leben, denn sie geben einem Halt und Stabilität. Man kann einem guten Freund oder Freundin oft mehr anvertrauen, als in der Familie. Aber was ist, wenn es so jemand nicht gibt? Da sind dann gute Experten wichtig, die mit ihren Fähigkeiten gute Hilfestellung geben können.

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