israel & palästina [zweiter teil: der norden].

Wir hatten schon von Deutschland aus für eine Woche ein Auto gemietet, um den Norden und Süden des Landes zu erkunden. Von Tel Aviv aus fuhren wir zunächst mit einem Zwischenstopp in Caesarea Richtung Norden nach Oshrat. Dort hatten wir über Airbnb für vier Tage eine Wohnung gemietet, die sich als genauso schön erwies, wie es die Bilder und Bewertungen früherer Gäste beschrieben. Wir hatten eine komplette Küche, so dass wir uns selbst versorgen konnten. Das WLAN war schneller als in unserer Wohnung in Berlin (das war im Übrigen fast überall in Israel so), und als unerwarteten Bonus gab es Satellitenfernsehen mit vielen englischsprachigen Kanälen, darunter ein Sender, der ganz neue Filme zeigte. Nicht, dass wir zum Fernsehen nach Israel gekommen waren, aber am Ende eines langen Erkundungstages war es trotzdem schön, gemeinsam zu kochen und einen Film anzusehen.

Die Wohnung lag in einem großen Haus, das von der Vermieterfamilie bewohnt wurde. Für uns etwas gewöhnungsbedürftig, stand das Haus in einer Siedlung, die durch eine große gelbe Schranke abgesichert war. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Schranke tagsüber immer offen stand und auch nicht bewacht wurde. Keine richtige gated community also, nur nachts wurde das Tor geschlossen. Wenn man spät zurückkam oder früh wegfahren wollte, musste man eine Nummer anrufen und dann wurde einem die Schranke geöffnet.

Am ersten Tag fuhren wir zu den Grotten Rosh haNikra, direkt an der Grenze zum Libanon. Die Aussicht von den Felsen über das Mittelmeer war fantastisch. Wie fuhren mit der Seilbahn hinunter und sahen uns den Film über die Geschichte des Tunnels an, der hier einst eine Verbindung zwischen Europa und Ägypten schuf. Er wurde während des Unabhängigkeitskrieges 1948 von einer paramilitärischen israelischen Gruppe gesprengt. Heute endet der Tunnel vor einer Mauer, auf deren anderer Seite der Libanon ist. Das sollte uns noch oft begegnen: dass man einerseits etwas sehr Schönes sieht und gleich darauf wieder im Konflikt landet.

Rosh haNikra

Rosh haNikra

Rosh haNikra

Von Rosh haNikra aus fuhren wir weiter nach Akko, wo uns wieder der Markt sehr gut gefiel. Wir fanden auch einen günstigen Rami Levy Supermarkt. Die Lebensmittelkosten sind in Israel merklich höher als bei uns. Es gibt aber ein paar Supermärkte, in denen man einigermaßen günstig einkaufen kann. Später stellten wir dann fest, dass es ganz in der Nähe unserer Ferienwohnung in Yarkah Hazafon einen Wonderful Market gab, der uns noch besser gefiel als Rami Levy. (Ich finde Einkaufen im Ausland ja immer spannend, und erst recht, wenn ich das erste Mal in einem Land bin.)

Markt

In unmittelbarer Nähe zu unserer Ferienwohnung lag die arabische Stadt Kafr Yasif. Fünfmal am Tag, wenigstens dann, wenn wir Zuhause waren, hörten wir über Lautsprecher den Gebetsruf des Muezzin von einer Moschee in der Nähe. Wir fuhren im Norden durch viele arabische Orte. Ich habe leider bis zum Schluss nicht wirklich verstanden, wie sich das im Land tatsächlich verteilt. Bei so einem ersten Besuch nimmt man ja vieles einfach erstmal in sich auf, ohne es immer einordnen zu können. Für uns hatte der wiederkehrende Gebetsruf vor allem etwas Exotisches, wie auch die Natur, zum Beispiel mit den riesigen Kakteen.

In der Nähe von Oshrat

In der Nähe von Nazareth

Wir fuhren zu den Golanhöhen, wo sich Landschaft und Konflikt auch wieder auf verstörende Weise mischen. Einerseits die schönen Banias-Wasserfälle und andererseits das verminte Gelände und die unmittelbare Nähe zur syrischen Grenze. Nachdem wir uns die Festung Nimrod angesehen hatten, fanden wir im Nordosten die Straße in Richtung Landesinneres nicht sofort. Wir sahen in der Ferne die Grenzanlagen und uns kamen UN-Fahrzeuge entgegen. Das war wirklich bedrückend und wir waren froh, als wir den Weg Richtung See Genezareth fanden.

Banias-Wasserfall (Golan)

Wir erreichten den Nationalpark Bethsaida, Geburtsort des Apostels Petrus. Hier waren wir im biblischen Galiläa, mit all den bekannten Namen, mit denen ich aufgewachsen bin. Wir sahen uns Kafarnaum an, die Brotvermehrungskirche und die Kirche der Seligpreisungen, den Ort der Bergpredigt. Für uns als Kinder waren das alles damals gleichzeitig nahe und fremde Begriffe. Wir wussten: Das ist weit weg. Aber weil man es oft hörte, schien es einem auch irgendwie nah. Und andererseits eine Stadt wie Bremen, die eigentlich nah war, aber doch als weit weg wahrgenommen wurde. Man hat als Kind von tatsächlichen Entfernungen ja keine Vorstellung, Entfernung ist eher eine mystische Größe. Orte, die man kennt, ohne sie zu kennen. Das ist mir früher auch mit New York so gegangen. In so vielen Filmen gesehen und in so vielen Geschichten erfahren, dass es beim ersten Besuch merkwürdig war, das alles wirklich zu sehen. Aufgeladene Orte. Man muss sie in der eigenen Erfahrung erst einmal neu erkennen. In Nazareth war ich erstaunt, dass es sich heute um eine komplett arabische Stadt handelt. Am See Genezareth war es sehr grün und Kafarnaum sah aus wie ein Paradies.

Am See Genezareth

Am See Genezareth

Brotvermehrungskirche (Tabgha)

Kirche der Seligpreisungen

An der Kirche der Seligpreisungen sang gerade ein Chor in blauen Gewändern, im Hintergrund der See Genezareth im Dunst. Das fühlte sich schon wieder unwirklich an, eher wie ein verwunschenes Kindheitsbild und nicht wie Realität im Jahr 2017.

An der Kirche der Seligpreisungen

Wir verließen den Norden nicht gerne. Tel Aviv war leicht gewesen, gerade weil es Berlin ähnelte. Der Norden warf uns erstmals tatsächlich in eine ganz andere Welt, voller Widersprüche, gleichzeitig schön und bedrückend, unverständlich auch zu Teilen, denn je weiter man aufs Land kam, umso schwieriger wurde die Kommunikation. Das ein oder andere Mal sahen wir nur noch Schilder auf Hebräisch und Arabisch, deren Alphabete wir beide nicht lesen können, und wir fanden niemanden, der Englisch sprach. Einmal verfuhren wir uns deshalb in den Bergen und standen plötzlich vor einer abgeriegelten Sackgasse, die endlich ein Schild auf Englisch bot: „No entry! Border to Lebanon ahead in 100 m.“

Verwirrend fanden wir anfangs auch, dass es in der englischen Version der Schilder (normalerweise haben alle Schilder drei Sprachen: Hebräisch, Arabisch und Englisch) unterschiedliche Schreibweisen des gleichen Ortes gibt. Auf einem Schild stand etwa: „Caper Naum.“ Ich fragte mich, ob das Kafarnaum sein könnte. Zwei Kilometer weiter stand auf dem Schild „Capernaum.“

Ein Ort konnte auf Englisch bis zu vier verschiedene Schreibweisen haben. Besonders austauschbar waren gleich lautende Buchstaben wie K, C und Q sowie I, J und Y. Zum Unterschied „zusammen oder getrennt“ kamen Binnenmajuskeln (haNikra, HaHagana), die wiederum aber manchmal auch durch Apostrophe ersetzt wurden. Ich dachte mir: „Egal welche Schreibweise, aber bitte einigt euch für die englische Version doch auf eine.“ Wir schreiben Wolfsburg schließlich auch nicht einfach manchmal Wolfs Burg, oder WolvsPurk oder Wolvs’burq (vielleicht in Privatorthographie, aber nicht auf Schildern). Ich wollte mich gerne leichter zurechtfinden können, aber dieses Denken kam mir dann doch auch ganz schön deutsch vor. Hier musste man sich eben etwas locker machen und nach der Lautsprache gehen. Die Wörter waren von der Lautsprache ins Englische übertragen worden und am einfachsten war es, sich selbst vorzusprechen, was auf dem Schild stand. Dann bemerkte man die Ähnlichkeiten viel schneller, als wenn man sich auf das Schriftbild solcher zudem grundsätzlich ungewohnten Namen konzentrierte.

1 thought on “israel & palästina [zweiter teil: der norden].

  1. Antworten
    Clarissa - 24. April 2017

    Ich lese das grade sehr gerne und freue mich auf Teil 3! Danke für diese kleine ‚Reise im Kopf‘!

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