happy thanksgiving.

[Einen Tag verspätet, gestern war den ganzen Tag zu viel los, aber: John trug zur Feier des Tages natürlich sein Urlacher-Shirt (nicht, dass es dieses Jahr bei den Bears irgendetwas zu feiern gäbe, aber das ist eine andere Geschichte) und gegen Abend waren wir wenigstens noch im Prater Gans essen, bevor ich zum Treffen der Elterngruppe abdüste. Nachts dann noch „Home for the Holidays“ gesehen, den schönen Thanksgivingfilm.]

france, la belle.

Zurück aus Frankreich: eine Woche traumhafte Normandie und eine Woche schnuckeliges Elsass. Zwei ganz unterschiedliche Gesichter des Landes, und beide so ganz anders als der Süden, in den ich sonst meistens gereist bin. Hervorzuheben: das Glück mit dem Wetter. Vorher alle so: „In die Normandie im Herbst? Ob das so eine gute Idee ist?“ Judge for yourself: Fotos aus der Normandie.

Als ich 1992 mehrere Monate in Frankreich war, und dann wieder längere Zeit 1994, wurde viel über die Immigration gesprochen, über Burkas und den Islam, über die französische Identität. 2009 im französischen Fernsehen immer noch die gleichen Diskussionen, über die französische Identität, den zunehmenden Islam, über den verlorenen Nationalstolz. 17 Jahre, geändert haben sich nur die Protagonisten in den Diskussionsrunden. Ein Mann bemängelte, dass alle Länder stolz auf ihre Nationalität seien, nur die Franzosen hätten da einen Komplex: ein Franzose sage heute nicht mehr, dass er stolz darauf sei, Franzose zu sein. Viele Franzosen bemerkten ihre Identität erst, wenn sie längere Zeit im Ausland lebten. Viele wollten die Marseillaise nicht mehr singen. In der Talkrunde hätte man jedes „français“ durch ein „allemand“ ersetzen können und dann hätte es auch ins deutsche Fernsehen gepasst.

Ein weiteres Thema: die Rechtschreibung. In der Zeitung ein großer, ganzseitiger Artikel: „Que reste-t-il de l’orthographe?“ Das Internet-Bashing hat in Frankreich im Übrigen genauso Konjunktur wie in Deutschland. An der zunehmenden Verwahrlosung der Rechtschreibkompetenzen ist nämlich auch das Internet Schuld. 1992 gab es auch diese Diskussion zwar ebenfalls schon, aber man konnte noch keinen Schuldigen ausmachen. Das Internet eignet sich seither ja aber als universalschuldig.

Im Ferienhaus gab es im Bücherschrank nicht viel Interessantes, ich entschied mich für Balzacs „La peau de chagrin.“ Tja, die tödlichen Wünsche. Ein erstaunlich gutes Buch. (Erstaunlich für mich, weil ich bisher jetzt nicht gerade die große Balzac-Fanin war.)

In der Normandie wohnten wir an der Westküste der Cotentin-Halbinsel, zwischen Flamanville und La Hague: südlich von uns also das Atomkraftwerk von Flamanville und nördlich die Wiederaufbereitungsanlange der Castor-Transporte. Bemerkenswert, wie wenig sich die Franzosen daran stören, im Gegenteil, sie finden es gut, dass die Anlagen Arbeitsplätze in die strukturschwache Region bringen. (Und auf dem Grabstein steht geschrieben: „Er war bis an sein Lebensende vollzeitbeschäftigt.“)

Highlight der Reise war der Besuch der Alliiertenlandungsplätze des D-Day. Man hat darüber gelesen, man kennt die Szenen aus „Saving Private Ryan“, aber da zu stehen, und das alles selbst zu sehen, das ist dann eben doch etwas anderes. Was das für ein absolut unfassbarer Wahnsinn war. Wenn man die Bunker und Festungsanlagen sieht, kann man sich nicht vorstellen, wie man da vom Wasser aus auf dem Präsentierteller drauf zukommen kann. Die Klippen von Pointe du Hoc, wo die Bombenkrater und Festungswerke noch erhalten sind, Ste-Mère-Eglise, wo der Fallschirmspringer an der Kirche festhing und sich acht Stunden lang tot stellte, bis die Alliierten Einheiten ankamen. Utah Beach, Omaha Beach, der Kontrast auch zwischen der grausamen Geschichte und der heutigen Schönheit dieser ausgedehnten, sattgelben Sandstrände. Die furchtbaren Friedhöfe überall, zehntausende Gräber von einem Ort zum nächsten, und überall Denkmäler, Museen, Erklärungen. Der ganze Küstenstrich ist ein einziges, riesiges Mahnmal gegen den Krieg (siehe Fotos).

An einem Freitag Abend im ersten Programm TF1 kam eine sehr lange Sendung über Autismus. In der Reihe „C’est quoi, l’amour?“ wurden mehrere Familien mit autistischen Angehörigen porträtiert: „Enfants et adultes autistes – quelle vie pour les proches?“

details.

Abends um elf saß ich auf dem Sofa und reparierte mit Sekundenkleber einen alten, scharzen Schuh. Er gehörte einer Frau aus der Reisegruppe, sie hatte sich zwei Tage lang mit ihrem Mann darüber gestritten, dass ihr Schuh kaputt sei, sie ihn aber nicht wegwerfen wolle, nur repariert haben, da sie in den Schuhen so gut laufen könne. Er aber wollte partout kein entsprechendes Geschäft mit ihr suchen. Ich erklärte mehrfach: das Hotel an der Friedrichstraße lag ungefähr 300 Meter von „Mister Minit“ im Bahnhof Friedrichstraße entfernt, how to get there, it’s very easy. Aber direkt am Hotel gab es ein Schuhgeschäft, und der Mann machte es zu einer Grundsatzdiskussion, nach mehr als 30 Jahren Ehe wird noch immer, oder gerade drum, um alles hart gefochten. Heutzutage noch Schuhe zu flicken, das sei doch lächerlich, nein, er bestand auf neuen Schuhen, man habe doch mehr als genug Geld. Da ich ständig in diese Diskussionen eingebunden wurde, und auch nicht wollte, dass sich das auf die Stimmung der ganzen Reisegruppe auswirkt, bot ich der Frau also am zweiten Tag an, nach der spätabendlichen Führung durch die Gemäldegalerie (donnerstags immer bis zehn geöffnet) die Schuhe vom Hotel aus mit Nachhause zu nehmen, und am nächsten Morgen repariert wieder mitzubringen, ein paar Minuten früher als das Treffen der Gruppe in der Lobby. Um kurz nach zehn kam ich also abends Nachhause, würde um kurz nach sieben wieder losmüssen, um das Kind in die Schule zu bringen und dann die Gruppe zur Besichtigung des Holocaust-Mahnmals abzuholen. Ich suchte den Sekundenkleber und saß dann des Nachts auf dem Sofa und klebte den ausgeleierten Schuh einer alten Kanadierin. Wie man aber auch immer in solche Situationen kommt, woher dieses Bestreben, Konflikte zu lösen, Harmonie herzustellen, auf alle Teilnehmer in der Gruppe Rücksicht zu nehmen. Das geht natürlich auf eigene Kosten, viele Frauen in diesem Job machen das, während Männer meistens cooler sind, die Leute sich selbst überlassen können, und dabei am Ende genauso viel oder wenig Trinkgeld bekommen, finanziell lohnt sich das nicht, nur viele Karten und Notizen bekomme ich am Ende immer: „Dear Monika, thank you for all your effort in making the city of Berlin a ‚wunderbar‘ place. We especially loved your personal touches, like getting us the English booklet at the concert hall and fixing my shoe.“

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