neuroethics as a brain-based philosophy of life.

„Human experience is a complex blending of biological, cultural, economic, political, religious, aesthetic, and legal dimensions that influence and are influenced by our values, purposes, institutions, and practices. […] The results of cognitive neuroscience can only contribute to an ethical discussion when these results are embedded in a wider discussion of cultural, economic, political, religious, aesthetic, and legal dimensions interrelated with our values, purposes, institutions, and practices. Outside such a multi-dimensional context they have little moral relevance.“ [#]

(Der freie Zugang zu Artikeln wie diesem aus der online lesbaren Zeitschrift „Neuroethics“ zeigt mir mal wieder, wie wichtig Open Access ist, und welcher Quatsch der Heidelberger Appell.)

tddl 2009 [kloster chorin].

(Nachdem das Kloster Chorin in dem Videobeitrag von Karsten Krampitz so einen schönen Eindruck machte, haben wir am Sonntag gleich unsere Wissenslücke geschlossen und einen Ausflug dorthin gemacht. Es ist wie Irland direkt um die Ecke, es ist verwunschen und so schön, dass wir sicherlich noch oft hinfahren werden. Der Bachmann-Wettbewerb hat sich jetzt schon gelohnt.)

tddl 2009 [die videoporträts].

Die Videoporträts der Autoren sind online, Frau Sopran hat schon begonnen, dann will ich mich auch mal langsam auf die Tage der deutschsprachigen Literatur vorbereiten.

Ralf Bönt (der Physiker)
Physiker, mag das kalte, zielstrebige und abstrakte Denken. Spricht über die rastlose Künstlernatur, Scheitern ist vorprogrammiert, es geht um den Grad des Scheiterns. Setting: ein Atelier mit unaufdringlichen Zwischenaufnahmen von Strukturen. Leicht ästhetisiert, aber nicht übermäßig, hält die Gratwanderung. Längsgestreiftes Hemd und schwarze Jacke. Dezent. Alles ganz klar und unaufgeregt. Angenehm.

Katharina Born (die Tochter)
Erzählt gleich erstmal davon, dass Peter Handke bei ihrer Familie zu Besuch war: Punktabzug Namedropping. Heimat und Familie ist für sie eins. Sie sagt einerseits, dass sie /zufällig/ in Paris lebt, betont dann aber, dass ihr das die kritische Distanz zu ihrem Schaffen ermöglicht. Also doch nicht so zufällig? Spricht von intensivem Schreiben, bei dem sie sich selbst näher kommt. Setting: ein Park, ihre moderne und doch leicht gediegen wirkende Wohnung. Sie zeigt Fotos von ihrem Vater Nicolas Born, das familiäre Erbe wird voll in die Waagschale geworfen. Lindgrünes Shirt, sehr properes Erscheinungsbild. Kauft am Ende Fisch an einem Pariser Markststand: Punktabzug Klischee.

Karsten Krampitz (der Triebtäter)
Ist als Schreiber Triebtäter. Schreiben ist für ihn eine Form der Richtigstellung, weil die vorgefundene Welt nicht seinen Vorstellungen entspricht. Spricht über die transzendentale Obdachlosigkeit der Menschen, vor dem Hintergrund seiner eigenen DDR-Erfahrung (hat mit der Wende sein Zuhause verloren). Vorteilhaftes, weil unpersönliches nicht privates Setting: eine leere Kirche, ein großes Gelände – das Kloster Chorin (s. Kommentar). Netter Typ. Satz: „Leben ohne Gott geht ja noch irgendwie, aber Sterben ohne Gott ist scheiße.“

Lorenz Langenegger (der Ästhet)
Beginnt mit einer merkwürdigen Einstellung: die Kamera blickt hinter einen Vorhang, auf der Fensterbank liegt etwas – ein Brot? Ein Hahn kräht, Musik „Good morning“, der Autor zieht sich einen braunen Pulli über, kocht Tee und legt eine CD der Eels ein. Schon binnen Sekunden alles etwas zu cool durchgestylt, aber noch so gerade okay. Dann Schreibtisch, Computer natürlich Apple. Setting: Arbeitszimmer mit glänzend poliertem Holzboden, rosa Ohrensessel, fein aufgereihten Bücherregalen, alles sehr ordentlich. Der Ästhet. Auf dem Schreibtisch steht ein kleiner Globus neben dem Monitor. Text: als Gemeinsamkeit zwischen dem Autor und seiner Figur sei eine diffuse Sehnsucht auszumachen. Dabei zoomt die Kamera auf den Globus. Globus, diffuse Sehnsucht, got it? Punktabzug. Der Autor liest aus seinem Buch, ein Mann (Rolf) ist verschwunden. Dabei zoomt die Kamera auf die Seite, das Bild wird unscharf, gleitet über in diffuse Impressionen (Jeansjacke im Gras) und bedeutungsschwanger weiter zu einem Ufer und übers Wasser. Text dazu: „Er hat mit dem unterdrückten Bedürfnis wegzugehen nicht mehr umgehen können.“ Nett scheinender Autor eigentlich, aber die Dramaturgie des Porträts haut ihn in Schieflage.

Christiane Neudecker (die Spaßnudel)
Spaßbeitrag, in dem der Bewerb als Boxkampf nachgestellt ist. Setting: René Hiepen steht vor einem Boxring und moderiert. Leider hatten wir das Szenario gerade erst auf 3sat beim Preiskampf des Theatertreffens, und es ist allgemein nicht besonders originell, weil sehr naheliegend. Hiepen stellt das Buch der Autorin von 2005 vor: „In der Stille ein Klang“, und kommentiert: „Was für ein Titel!“ Gespräch mit dem Trainer der Autorin, Vitaly Ranitzky, haha, gähn. Vielleicht eine einigermaßen witzige Idee, allerdings nicht wirklich originell und wird schnell langweilig, trägt nicht über die drei Minuten der Beitragslänge. Am Ende noch eine merkwürdige Performance, ein Spiel mit den Wörtern Schatten und Licht (geht gar nicht). Von der Autorin kann man sich in dem Porträt kein Bild machen, aber das muss nicht die schlechteste Strategie sein.

Jens Petersen (der Cabriofahrer)
„Wie geht es Ihnen?“ Erster Satz; die erste Szene spielt im Krankenhaus, der Autor ist nämlich auch Arzt, und er wird gezeigt, wie er Patienten untersucht. Er sagt, das Maß an Grenzerfahrungen als Arzt sei größer als in anderen bürgerlichen Berufen. (Es gibt natürlich viele soziale Berufe, in denen das Maß an Grenzerfahrung mindestens genauso groß ist, wenn nicht größer: unklar, was er hier meint, muss etwas mit dem von ihm betonten Wort „bürgerlich“ zu tun haben, wäre interessant zu wissen, was genau er für bürgerliche Berufe hält und was nicht.) Spricht über Emotionalität, Verlustängste, den Umgang mit dem Tod. Als Arzt habe man auf unverblümte Weise mit Menschen zu tun. Natürlich darf die MRT-Aufnahme eines Gehirns nicht fehlen (Punktabzug, auch wenn der Autor gerade seine Facharztausbildung zum Neurologen macht). Dann steigt er in ein Cabrio, sagt dabei, man brauche ein geistiges Refugium. Ich denke schon: wie nett, ein Cabrio als geistiges Refugium zu bezeichnen, will gerade schon einen Pluspunkt vergeben, da wird deutlich, dass er doch einen richtigen Ort meint. Er fährt nach Carona, Hesse hat hier gelebt, Brecht war zu Gast, der Autor schreibt im Haus des Schriftstellerpaares Kurt Kleber und Lisa Tetzner (statt des Pluspunkts also vier Punktabzüge für Namedropping). Viele Einstellungen des Autors in Haus und Garten, tippend. Teils grenzwertig zum Kitsch (sitzt im hohen Gras, sitzt leger auf dem Balkon, die nackten Füße auf das Geländer gelegt). Laptop natürlich Apple, daneben Teekanne (wie Lorenz Langenegger). Spricht von der magischen Atmosphäre des Ortes Carona und des Hauses dort: das bahnt Schreiben und setzt Kreativität frei. Sein persönliches Dilemma: in der Medizin wird Kreativität unterdrückt, ist Konformismus gefragt, bei der Schriftstellerei gibt es keine Struktur, nach der man sich richten kann. Er hätte gerne mehr externe Struktur bei der Schriftstellerei und weniger davon in der Medizin.

Bruno Preisendörfer (der Trüffelmann der Rosinenmann)
Erzählende Autoren sind Story-Kannibalen, Geschichtenfresser. Hm, Kannibalismus heißt, dass man seine eigene Art isst. Der Satz, erzählende Autoren seien Story-Kannibalen, hört sich zunächst interessant an, ist aber Quark. Zeigt sich da schon ein gewisser Manierismus? Dem Autor ist Zeit sehr wichtig, seine Lieblingszeit ist das Futurum II. Satz: „Es wird einmal gewesen sein.“ Eine „faszinierende Konstruktion“ zwischen Melancholie (der im Futur II enthaltenen Endlichkeit aller Dinge) und Entlastung (vom Gefangensein im Moment). Letzteres sei der Sinn von Literatur. Der Autor „versteckt Trüffeln“ in seinen Texten, die „Rosinchen im Subtext sind ein zusätzliches Vergnügungsmoment.“ Sprache ist Material, am Schreiben interessiert den Autor die Flexibilität dieses Materials. Trägt Chucks mit Anzug (diese Kombination wird alt, spätestens nächstes Jahr geht die nicht mehr).

Karl-Gustav Ruch (der Schweizer)
Schweizer und Gitarrenlehrer, der in Barcelona lebt. Pluspunkt für die Wahl einer großartigen Stadt als Lebensmittelpunkt. Gleich zu Beginn im Beitrag zu sehen: seine Frau, eine spanische Fotografin. Der Autor ist ein Pendler zwischen Musik und Sprache. Schreiben ist für den Autor, da im Ausland lebend, Kampf gegen den Sprachverlust. Die Entfremdung ermöglicht ihm eine positiv gedeutete Distanz (Wiederholung von Katharina Born/ wie überhaupt eine verbreitete romantische Ausdeutung von schreibenden Menschen, die nicht in ihrem Heimatland leben; sehr verführerische Vorstellung, der man kaum entkommen kann). Sprache ist Material (Wiederholung von Bruno Preisendörfer/ schon beim siebten Porträt wird die Liminalität des Genres augenfällig). Allerdings: der Autor spricht auch vom Text als Sound (bringt er die Gitarre mit, haben wir hier einen neuen Bodo Hell?) Setting: in der Wohnung, spielt Gitarre neben einem Fitness-Rad, angenehm normales Ambiente, nicht so stilisiert. Ebenso die Erscheinung: beiger Anzug, ungebügelt, leger. Der morgendliche Weg zur Schule wird beschrieben als „Gelegenheit zum literarischen Beutefang.“ Satz: „Es kann auch ein Geräusch sein, das in der Mauer ist, und ich stelle mir dann vor, dahinter verstecken sich Geschichten.“ Am Ende eine lange Kameraeinstellung einer wegfahrenden U-Bahn. Punktabzug bedeutungsschwangerer Zug.

Gregor Sander (der Handfeste)
Fährt mit dem Fahrrad zum Büro, an der Bernauer Straße. Setting: sein Büro befindet sich in einem aus einer Kneipe umgebauten Atelier. Laptop natürlich Apple. Könnte alles leicht in die zu stilistische Ecke kippen, tut es aber nicht. Der Autor trägt Adidas-Turnschuhe und einen nicht unter übermäßigem Coolnessverdacht stehenden, also einen angenehm unspektakulären Strickpulli mit nicht drapiert scheinenden, sondern zufälligen Holzspänen am Arm (vom vorherigen Herumstehen neben einem der bildenden Künstler in der Arbeitsgemeinschaft). Die machen den Eindruck einer sehr sympathischen Gruppe. Viel Öffnen und Schließen alter Doppelfenster zu Beginn und zum Ende des Beitrags: einziger Stilabzugspunkt (sonst keine artistischen Spirenzchen).

Caterina Satanik (die Unglückliche)
Der Beitrag beginnt mit einer langen, unscharfen Einstellung auf Wasser, in dem sich die Autorin spiegelt, dann Zoom auf das Spiegelbild im Wasser. Die Autorin hat als Kind Wolken im Spiegelbild des Wassers vorbeiziehen sehen. Sie spricht von Laken, ich glaube, sie meint Lachen im Sinne von Wasserlachen (Österreicherin). Zu Unschärfe und Zoomerei noch elegische Saxophonmusik, man merkt schon früh, dass dieser Beitrag visuell und auditiv den Holzhammer rausholt. Das Religiöse fasziniert die Autorin, sie mag Rituale, mit denen wir uns in die Dimension der Spiritualität hineinbegeben. Zu sehen ist dabei ein großer Spiegel mit Goldrahmen, der in einer Blumenwiese aufgestellt ist, und in dem sich die Autorin (natürlich) wieder spiegelt. Dann töpfert sie, töpfern sei wie bloßfüßig gehen oder mit den Fingern essen – berührt das Leben. Sprache soll nah sein wie der Mund eines Sängers am Mikrofon, dessen Atem man hört. Die Autorin mag Vergleiche. Laptop: Apple, sie tippt im Schneidersitz. Dann ein anderer, weiß gerahmter Spiegel, gegen eine Wand gelehnt, auf einem weißen Laken (dieses Mal wirklich Laken, wie in Bettlaken), und jetzt muss man ganz stark sein: betippte Blätter rieseln am Spiegel herunter. Rieselnde Blätter, die Punktabzüge kann man kaum zählen. Dann kommt wieder eine andere Spiegeleinstellung: Menschen gehen einen Gang entlang (U-Bahn?), spiegeln sich an der Seite des Ganges, das Ganze wird dann noch gedoppelt dargestellt. Am Ende, nun ahnte man es schon, der noch fehlende, mittlerweile unvermeidliche /zerbrochene/ Spiegel auf einer Wiese. In diesem Beitrag wurde so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, kein Fettnäpfchen ausgelassen. Die arme Autorin, sie wird mit viel Kritik rechnen müssen.

Andreas Schäfer (der nette Typ von nebenan)
„In Räume versinken, sie abschreiten, und beobachten, wie eine Geschichte langsam näher kommt“, das ist Schreiben für den Autor. Setting: abwechselnd im Theater und im Café (ausgetrunkener Latte Macchiato auf dem Tisch). Dann Wechsel in seine Wohnung, beginnt mit einer Spiegelung des Autors in einem Spiegel an der Wand, er blickt versonnen aus dem Fenster: Punktabzug. Sonst aber keine Spirenzchen. Die meiste Zeit erzählt der Autor viel, aber leicht, wirkt sympathisch.

Linda Stift (ein homo ludens)
Beginnt in einem englischen Hecken-Irrgarten. Herrje, schon wieder aufdringliche Symbolik. Dass die Frauen das so oft mit sich machen lassen, seufz. „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Läuft im Irrgarten herum und trägt dabei eine große, dunkelrote Tasche, die /nicht/ lebendig ist. Setting dann: die Wohnung, sehr ordentlich. Hat einen tollen Balkon. Räume sind der Autorin sehr wichtig. Sie träumt immer wieder, dass sich in ihrer Wohnung eine Tür öffnet und riesige Wohnungen dahinter liegen. „Das Labyrinth der Großstadt.“ Aufnahmen in einem Glaslabyrinth, die Autorin sucht einen Weg. Die Hände hat sie gegen die Scheibe gepresst, wird gefragt: „Linda Stift, ein homo ludens?“ Sie: „Ja, das bin ich und das macht mir irrsinnig Spaß.“

Von Philipp Weiss (das Gesicht)
Gitarren-Schrummel-Elektro-Mix-Musik inklusive Rauschen, dazu ein schwarz-weiß Bild: der Autor blickt in die Kamera, blickt, lacht, schneidet Grimassen. Die ganzen drei Minuten lang der schwarz-weiße Blick auf das Gesicht des Autors, unterlegt mit der Musik des Sound Designers Wolfram Leitner, wie man am Ende erfährt. Keine schlechte Art, sich aus der unangenehmen Affäre der Videoporträts zu ziehen.

Andrea Winkler (die Kryptische)
Sitzt nachdenklich in leeren Reihen im Theater. Das Papier ist so etwas wie ihre Bühne. Sie spürt dem dichten Geschehen nach. Dann in einem Café, eine normale Tasse vor sich, kein Macchiato-Glas: Pluspunkt. Dann Bibliothek. Sie mag kein lineares Erzählen,  bevorzugt Literatur, die vieles offen lässt – dann wird das Lesen nämlich zu einer Art Schreiben. Am Anfang und Ende werden Textauszüge vorgelesen, die eher anstrengend scheinen.

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