2012 wird die fünfte Ausgabe des DSM (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) erscheinen. Jetzt streitet man sich darüber, ob der Prozess der Revisionen öffentlich gemacht werden soll, so dass Experten und Öffentlichkeit diesen Prozess mitverfolgen können, oder ob die Diskussionen über mögliche Veränderungen bis zur Veröffentlichung geheim abgehalten werden sollen. Eine Frage, die zunächst lapidar erscheinen mag, aber tatsächlich höchst brisant ist, entscheiden sich doch an diesen Revisionen zum Beispiel auch die Finanzierungen von Therapien; von den kulturellen und gesellschaftlichen Implikationen ganz zu schweigen.
Als Beispiel für Autismus sei erwähnt, dass das Asperger-Syndrom überhaupt erst seit 1994 im DSM aufgeführt wird. Ein weiteres Beispiel: zwischen der Ausgabe DSM-III und DSM-III-R haben sich die Bewertungskriterien derart geändert, dass bei einer Testgruppe von 194 möglicherweise autistischen Kindern 51% nach DSM-III dem autistischen Spektrum zugeordnet werden; aber nach DSM-III-R beurteilt, steigt diese Zahl in derselben Testgruppe auf 91% an. (So viel zu einer Epidemie des Autismus: steigende Diagnosezahlen lassen sich manchmal eben auch ganz anders erklären.)
Christopher Lane hat dazu einen guten Kommentar in der Los Angeles Times geschrieben: „My concern is the lack of proper oversight. If the proposed new disorders don’t receive a full professional airing, including a vigorous debate about their validity, they will be incorporated wholesale into the fifth edition in 2012. Joining the ranks of the mentally ill will be the apathetic, shopaholics, the virtually obsessed and alienated parents. It’s hard to imagine that anyone will be left who is not eligible for a diagnosis.“ [#]