nutzervertreter.

Am Wochenende habe ich mir einige Vorträge der re:publica angesehen, unter anderem auch die von Sascha und Felix. Mir fiel dabei wieder etwas auf, was ich schon häufiger gedacht habe: Bezüglich der Interessensvertretung von Internetnutzern gibt es viele Parallelen zur Entwicklung der Selbsthilfe im Gesundheitswesen. Letztere hat gegenüber der Internetproblematik etwa 40 Jahre Vorlauf und könnte vielleicht als Orientierung dienen. Möglicherweise muss das Rad (wie aus Interessensvertretung erfolgreich Mitverantwortung gestaltet werden kann) nicht komplett neu erfunden werden.

Rückblick: Seit den 70er Jahren entwickelte sich in Deutschland eine Selbsthilfevertretung, die für die Rechte von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie auch Behinderungen eintrat. Sie bildete Bundesverbände, die sich zudem untereinander vernetzten. Mit großem Engagement arbeitete diese Interessensvertretung im Laufe der Jahre immer effektiver. Im Grunde tat sie genau das, was Sascha in seinem Vortrag den „Einmarsch in die Institutionen“ nannte. In der politischen Mitgestaltung ist diese Interessensvertretung seit zehn Jahren angekommen. Mit der Gesundheitsreform 2003 wurde im Rahmen eines Modernisierungsgesetzes der gesetzlichen Krankenkassen ein neues Beschlussgremium der Gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen geschaffen. Erstmals sind darin nicht nur Vertreter der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen, sondern auch Patientenvertreter eingebunden.

Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Versicherung erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. Die Gesundheitspolitik ist einer der umfangreichsten Politikbereiche. Rund ein Zehntel des Bruttosozialprodukts wird im Gesundheitswesen erarbeitet, jeder zehnte Berufstätige ist in diesem Bereich beschäftigt und etwa 90% der Bundesbürger sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die Beschlüsse, die im Gemeinsamen Bundesausschuss gefasst werden, haben also Einfluss auf fast alle Bürger in Deutschland. Es geht dort entsprechend einerseits um enorm viel Geld, aber andererseits auch um die konkrete Lebensqualität von Millionen von Menschen. Und Patientenvertreter gestalten das heute aktiv mit. Das müssen wir auch mit der Interessensvertretung zum Internet hinkommen.

Ich bin seit einigen Jahren Patientenvertreterin im G-BA. Das ist ein Ehrenamt, also viel Arbeit für wenig Entschädigung. (Die Sitzungspauschale für einen Sitzungstag beträgt für Patientenvertreter € 55,30 zzgl. Verdienstausfall.) Auch das hat die Selbsthilfegemeinde mit der Netzgemeinde gemeinsam: Es geht um zentrale Fragen unseres Lebens, ohne dass für die Interessensvertretung auch nur ansatzweise genügend Geld zur Verfügung stünde. Sascha betonte diesen Aspekt in seinem Startrant. Sicher hat er Recht, aber ich glaube, dass man an der Entwicklung der Selbsthilfevertretung sieht, dass dies nicht zwingend ein entscheidender Aspekt sein muss. Trotz der Geldnot hat die Selbsthilfe es im Gesundheitswesen in entscheidungsbefugte Gremien geschafft. Sie hat einst mit Schnellaktionen und Feuerlöschen begonnen, ganz ähnlich wie wir es zum Beispiel bezüglich der Vorratsdatenspeicherung von avaaz erlebt haben. Interessensvertretung kann aber auf lange Sicht nicht immer nur auf Notsituationen regieren, sondern muss strukturell verankert werden. Deshalb bin ich nach meiner eigenen Erfahrung mit dem Feuerlöschen (als der Berliner Senat die Schulhelferstunden kürzte und damit die Beschulung meines Kindes gefährdete) nun in politischen Gremien tätig, auch wenn das – wie Sascha ebenfalls ganz richtig sagte – sehr langwierig und auch oft frustrierend ist. Es kann schon gut drei Jahre dauern, bis eine Neuerung zur Beschlussfassung ins Plenum gelangt. Ich sehe aber keine Alternative, die diese zähe Arbeit ersetzen könnte.

Das Problem in Bezug auf das Internet sehe ich vor allem darin, dass es noch kein solches Beschlussgremium gibt, in dem man Nutzervertreter verankern könnte. Enquete-Kommissionen binden zwar externe Sachverständige ein, haben aber keine Entscheidungsbefugnis. Im Grunde muss in Bezug auf das Internet eine ähnliche Selbstverwaltung geschaffen werden, wie dies 2003 für das Gesundheitswesen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss geschah. Ein solches Gremium könnte – wie der G-BA dem Bundesministerium für Gesundheit zugeordnet ist – auch einem entsprechenden Ministerium in der Regierung zugeordnet werden. Dass ein solches Beschlussgremium über kurz oder lang sowieso eingerichtet werden muss, erscheint mir unumgänglich, immerhin betrifft das Internet alle Lebensbereiche, ganz ähnlich wie dies für die Gesundheit gilt.

Als Patient lebe ich in einem System, dem Gesundheitssystem, ob ich will oder nicht. Ich kann mir nicht aussuchen, welche Aspekte dieses Systems ich möchte oder nicht möchte. Meine einzige Alternative ist das Mitgestalten der Struktur. Auch das Internet ist eine solche Struktur. Es ist längst kein Ort mehr, denn die Idee eines Ortes impliziert, dass man sich temporär in ihn hinein- oder hinausbegeben kann. Das ist nicht mehr der Fall. Das Internet ist eine Struktur, in der wir uns unweigerlich befinden, mit allen Vor- und Nachteilen. Es ist sogar eine Struktur, die permanent in unser Leben hineinwirkt, selbst wenn wir sie selbst nicht aktiv nutzen. Und so wie das Gesundheitssystem unsere Gesundheit, Krankheit und/oder Behinderung – oft zudem ohne unsere Zustimmung – überwacht, einstuft und bewertet, so tut dies auch das Internet.

[Technologien der Macht. Sascha hat ganz Recht mit den Herrschaftsstrukturen, besser noch als Marcuse eignete sich hier aber Foucault mit seinen Analysen der Disziplinarmacht und der Bio-Macht. Um aus den Dispositiven zur Macht zu zitieren: „Wenn sie nur repressiv wäre, wenn sie niemals anderes tun würde als nein sagen, ja glauben sie dann wirklich, dass man ihr gehorchen würde? Der Grund dafür, dass die Macht herrscht, dass man sie akzeptiert, liegt ganz einfach darin, dass sie nicht nur als neinsagende Gewalt auf uns lastet, sondern in Wirklichkeit die Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert; man muß sie als ein produktives Netz auffassen, das den ganzen sozialen Körper durchzieht.“ Ein produktives Netz, das den sozialen Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert: Man denkt, er spreche vom Internet, oder?]

Wir brauchen meines Erachtens ein politisches Beschlussgremium, in das von Anfang an Nutzervertreter eingebunden werden, analog der Einbindung von Patientenvertretern im G-BA. Ich glaube, dass sich die Patientenvertretung sehr gut als Modell eignen würde. So könnte man etwa die Benennung von Nutzervertretern durch die Anerkennung sogenannter „maßgeblicher Organisationen“ durchführen. Im G-BA sind dies der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen und der Bundesverband Verbraucherzentrale. Diese vier Organisationen entscheiden, wen sie als Vertreter benennen. Für das Internet fallen mir spontan Organisationen oder Vereine wie Netzpolitik, die Digitale Gesellschaft und der Chaos Computer Club ein. Die Rechte der Nutzervertreter müssten gut in der Geschäftsordnung verankert werden. Ein Antragsrecht sollten sie auf jeden Fall haben, ein Stimmrecht brauchen sie sogar nicht unbedingt. Die Patientenvertreter haben zum Beispiel nur eine beratende Funktion und kein Stimmrecht. Als ich anfing, dachte ich immer, wir müssten uns unbedingt für ein Stimmrecht einsetzen. Mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr so sicher, denn ich sehe, dass wir auch ohne Stimmrecht viel bewegen können und gleichzeitig unsere Unabhängigkeit bewahren (die wir mit einem Stimmrecht ein Stück weit verlieren würden). Auch bräuchten Nutzervertreter ähnliche Unterstützungsstrukturen wie die Patientenvertretung, zum Beispiel eine Stabsstelle und Weiterbildungsangebote, von Workshops zu Verhandlungsstrategien bis zu fachbezogenen Themen.

Die Patientenvertretung musste erst in ihre neue Rolle hineinfinden und ist in gewisser Weise nach zehn Jahren immer noch dabei. (Das ist ein bisschen wie mit den Hundejahren, nur extremer: Zehn Jahre in der Politik sind vielleicht wie ein Jahr im wirklichen Leben.) Aber wir haben schon viele Erfahrungen gemacht – und so ließe sich von unseren Erfolgen wie auch von unseren Misserfolgen viel lernen.

durchlässigkeit versus echokammer [problemkind internet].

Wie das eben so geht, über einen Tweet von Mario Sixtus kam ich auf eine vergleichende Analyse der Debattenkultur bei Zeit Online und Sueddeutsche.de, von dort aus zum Artikel Unbegründet: Norbert Bolz’ Angst vor der gesellschaftlichen Fragmentierung bei Carta und von dort an die Quelle, einen Essay von Norbert Bolz in der Süddeutschen.

An Bolz’ Essay interessiert mich genau der Teil, den sich auch Marcel Weiß bei Carta herausgepickt hat, nämlich die Frage nach einer gesellschaftlichen Fragmentierung. Ich finde die Argumentation von Norbert Bolz nicht überzeugend, glaube aber, dass er trotzdem mehr Recht haben könnte, als mir und vielen anderen Netzaffinen lieb ist. Um von den abstrakten und theoretischen Überlegungen zu ‚Konformität versus Diversität‘ und ‚Gemeinschaft versus Fragmentierung‘ zu einem ganz konkreten Beispiel zu kommen, nehme ich mal mein Minderheitenthema Behinderung. Das Positive liegt auf der Hand: im Internet können Menschen mit Behinderungen auf einfachere Weise denn je zuvor ihre Anliegen kommunizieren und potentiell weltweit Resonanz finden. Foren, Weblogs und Communities verschiedenster Behinderungen und chronischer Erkrankungen sind ein lebhaftes Zeugnis des Informationsaustausches, und auch der Überwindung von Einsamkeit und Isolation.

Allerdings bewegt sich die Interessensgruppe tatsächlich in einem eigenen Raum, der kaum jemals von Menschen betreten wird, die nichts mit Behinderungen zu tun haben. Das Argument der Durchlässigkeit, das sicherlich auf ganz, ganz viele Themen zutrifft (gerade Technik, Musik und Wirtschaft, die Marcel Weiß nennt) greift bei ‚wirklichen‘ Minderheiten leider kaum bis gar nicht. Menschen mit Behinderung sind in der virtuellen Welt mindestens genauso randständig wie in der wirklichen, vielleicht sogar noch mehr. Die von Weiß erwähnte Vermischung von Interessen, Gruppen und Nischen findet eben nicht überall statt. Der Vorteil der Verlinkung – dass Einzelpersonen selbst entscheiden, was sie für verbreitenswert halten – bedingt eben auch typische Ausschlussmechanismen von Minderheiten. Weiß sieht keine Gefahr darin, dass Diskurse nicht mehr auf einer Ebene geführt werden, die zu einem gesellschaftlichen Konsens führt; die Gesellschaft zerfalle nicht davon, dass man die FAZ nicht mehr von vorne bis hinten lese. „Warum ist Fragmentierung überhaupt negativ?“, fragt er.

Die Antwort auf Marcel Weiß‘ Frage liegt tatsächlich nicht beim Journalismus und der FAZ von vorne bis hinten. Die Gatekeeper der traditionellen Medien lassen das Thema Behinderung ähnlich wenig durch wie das Internet, da nehmen sich die beiden Opponenten nichts. Die eigentliche Gefahr liegt bei der Politik und Gesellschaft allgemein: bisher waren Minderheiten wie Menschen mit Behinderungen zwar randständig, aber ihre Interessen wurden vertreten und berücksichtigt, eben durch etablierte gesellschaftliche Mechanismen, die bei Bolz vielleicht unglücklicherweise ‚bürgerlich‘ heißen. Es gibt Verbände und Gremien, wichtige Vertreter der Interessen auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen (Behindertenbeauftragte, Wohlfahrtsverbände, Landesbeiräte für Behinderte, Patientenvertreter in Bundesgremien etc.). Den Gremien und Verbänden aber geht der Nachwuchs aus. Da sitzen meist Männer und Frauen im Rentenalter, die nächste Generation kommt nicht mehr nach, unter anderem auch, weil sie ins Internet abgewandert ist. Im Internet aber werden keine Entscheidungen getroffen und das Internet hat keine Mechanismen, die dafür sorgen würden, dass diese Gruppe von Menschen zumindest prozentual gemäß ihres Vorkommens (2009 waren laut neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts in Deutschland 8,7% der Bevölkerung schwerbehindert) berücksichtigt und inkludiert wird. Die tatsächliche Interessensvertretung wird immer geringer. Es stimmt, was Marcel Weiß schreibt: „Die Verteilung der Diskurse nähert sich den tatsächlichen Interessen der Bürger an.“ Aber genau das ist das Problem: das Thema Behinderung interessiert den Bürger größtenteils überhaupt nicht, und solange man nicht selbst betroffen ist, verdrängt man das Thema am liebsten sowieso.

Während sie früher ein vielleicht abgeschobener, aber immerhin noch durch Institutionen notgedrungen wahrgenommener Randteil der Gesellschaft waren, verschwinden die Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen nach der Abwanderung ins Internet endgültig von der Bildfläche einer breiteren Wahrnehmung. Die Angst vor der gesellschaftlichen Fragmentierung ist nicht völlig unbegründet. Das Internet ist am Ende vielleicht leider doch mehr ‚Konformitätspumpe’ als ‚Diversitätsmaschine’, um Ronnie Vuine zu zitieren.

freedom.

„Now that we know that the world is filled with opinionated, neurotic busybodies and compromised idealists just like us, our contempt springs to the surface so easily. We resent recognizing bits of ourselves in so many others, seeing how much more effectively (and photogenically!) these people put their ideals into action, through their daily yoga classes and lucrative yet admirable jobs as environmental lawyers, through the whimsical crafts and organic layer cakes they make with their creative, adorable children, through the two-week vacations they take in Maui or the Wakefield dressers they refinish for junior’s bedroom. Instead of bringing us together, the Internet shows us that we not only aren’t remotely unique, but everyone else out there is pursuing the same lifelong dreams and embracing the same hobbies with far more focus, style and energy than we could ever hope to muster.“ [#]

a short manifesto on the future of attention.

„And yet I can’t shake fantasizing about attention that has no price, that can’t be bought or sold, but is given freely: a gift. I buy and read books because I want to give the gift of my attention to the attention economy I’m (as a writer) a part of. I’m inspired by Lewis Hyde in The Gift, who says that what distinguishes commodities is that they’re used up, but what distinguishes gifts is that they circulate — the gift is never trapped, consumed, used up, contained or confined. That seems like the best basis for cultural production to thrive. So this is what it’s come to: when an attention gift economy seems more practical and sustainable than an exchange economy for information commodities, which is being rotted by the gift’s ugly negation: the free.“ [#]

that they were careful to assure us that the drone was unarmed gives us a clear indication of the road we’re headed down.

Bei radio eins bestreitet Martina Krogmann, Verhandlungsführerin der CDU/CSU Bundestagsfraktion in Sachen Internetsperre, dass das geplante Gesetz in irgendeiner Form Folgen für andere Bereiche haben wird. Komisch, denn Frau Zypries von der SPD hatte dies kürzlich noch recht freimütig zugegeben: „Angesichts der ‚zahlreichen Verletzungen des geistigen Eigentums im Internet‘ fragte sich die Ministerin auch, ob beispielsweise eine stärkere Regulierung des Netzes erforderlich ist. So werde es die Politik sicher ‚die nächsten Jahre beschäftigen‘, was aus den geplanten Sperren kinderpornographischer Seiten ‚folgen wird‘, schloss sie eine Ausweitung auf illegale Angebote geschützter Werke zumindest nicht komplett aus.“
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Dazu Felix: Das Internet darf kein bürgerrechtsfreier Raum werden
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Die Worte von „The coming insurrection“ scheinen ein düsterer Wegweiser: „As an attempted solution, the pressure to ensure that nothing happens, together with police surveillance of the territory, will only intensify. The unmanned drone that flew over Seine-Saint-Denis last July 14th – as the police later confirmed – presents a much more vivid image of the future than all the fuzzy humanistic projections. That they were careful to assure us that the drone was unarmed gives us a clear indication of the road we’re headed down.
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Während Banken und Opel gerettet werden und das zweite Konjunkturpaket eine Investition in Bildung /sein soll/ hat man in Berlin beschlossen, bei der Bildung weiter zu sparen und gesundheitlich elementare Bildungskomponenten schwerst-mehrfachbehinderter Kinder zu streichen: Pankow will an Sonderschulen Therapeutenstellen sparen. Jetzt protestieren die Eltern.
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Der Artikel im „Tagesspiegel“ gibt die Situation leider sogar nur ungenügend wieder. Es gibt viele Gründe, weshalb es schwierig ist, freie Praxen in die Schule einzugliedern, und genau darum wurde eigentlich in einem langen Verhandlungsprozess ermittelt, dass die Therapeuten der Gesundheitsämter an den Schulen bleiben sollen und müssen. Der Pankower Amtsarzt Dr. Peters kennt die Hintergründe anscheinend nicht, und meint darum, man könne diese Therapeuten auch einfach entlassen und stattdessen auf die Einbindung freier Praxen setzen. Die diversen Gründe, warum das keine gute Idee ist, hatte ich schon einmal im Posting unserer Resolution aufgeschrieben. Alleine die alle 10 Wochen neu benötigten Verordnungen von Eltern regelmäßig zu bekommen, kann in vielen Fällen problematisch sein – und sobald die Verordnungen nicht regelmäßig vorliegen, wird das Kind nicht adäquat gefördert. Besonders für Kinder im Rollstuhl kann das schwere gesundheitliche Folgen haben.
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Was man auch dringend erwähnen muss: hätte die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (SPD) ihre Verantwortung getragen und die Versorgung übernommen, gäbe es das ganze Problem nicht. Erst durch das Abwälzen der Verantwortung auf die Bezirke ist das Problem entstanden. Das Schulhelfer-Problem hat die Senatsverwaltung auch von der ehemals zentralen Bearbeitung auf die Bezirke abgewälzt. Soweit zur immergleichen Strategie, ungeliebte Kürzungen und Streichungen einfach outzusourcen.
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Schön ja auch der Satz der Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD): „‚Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die Bürger Einsparungen unvermeidlicherweise spüren, so die Stadträtin.“ Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: während man – ebenfalls in Pankow – einer Sonderschule die versprochenen Räumlichkeiten entzieht, zugunsten der neuen Sekundarschule, und während es durchaus allerlei Gewinner der Konkjunkturpakete, Abwrackprämien und Rettungsfonds gibt, sind in den Augen der SPD die schwerst-mehrfachbehinderten Kinder gerechterweise die ersten, die demütiges Verständnis für Einsparungen auf ihre Kosten demonstrieren sollen.
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Die ethische Diskussion der Pränataldiagnostik erreicht eine neue, wenn auch logischerweise längst absehbare /Qualität/: Deborah und Ariel Levy verklagen einen Arzt, der im Rahmen der Pränataldiagnostik ausgeschlossen hatte, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom erwarten. Nach der Geburt stellte sich heraus, dass das Kind doch ein Down-Syndrom hat. Das Paar sagt, sie hätten die Schwangerschaft abgebrochen, wenn der Arzt richtig diagnostiziert hätte. Nun möchten sie 14 Millionen Dollar für Therapien, und zusätzlich die Kosten lebenslanger Versorgung erstattet bekommen, sowie eine Entschädigung für die emotionale Belastung und Depression, die das Kind der Mutter verursacht hat. „The Levys declined to be interviewed. Their attorney, David K. Miller, said the toddler is as dear to them as their two older children but they fear being perceived as ‚heartless.'“ Haha, herzlos, wie kommen sie bloß darauf?
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(Unverständlich der Adressat der Klage. Verklagen könnten sie zum Beispiel Gott wegen seiner unerhörten Idee menschlicher Vielfalt. Auch warum sie Schmerzensgeld bekommen sollten, ist unklar: wenn sie das nicht auf sich nehmen wollen, können sie das Kind ja auch zur Adoption freigeben, es gibt viele Paare, die gerne ein Kind mit Down-Syndrom adoptieren möchten.)

dear social media.

„Friend – you are a crap shoot. You are a giver and a taker.“
(So beginnt der Eintrag einer Mutter aus Missouri, deren Familienphoto in Tschechien kurzerhand für Werbung benutzt wurde. Nur zufällig hat ein College-Freund das Plakat gesehen und die Familie erkannt: Stolen picture.) [Via]

„hey friends – I apologize, I have been worthless on Twitter today – things are CRAZY – heading to NYC to be on The Morning Show on CBS tom!“ [#]

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