John Frederick Knight | 7. September 2000 – 5. März 2016
Freitag bis Sonntag
Heute ist es drei Wochen her, dass John im Schlaf gestorben ist. Die Ärzte denken, dass er wahrscheinlich einen Krampfanfall hatte, der zu einem Herzversagen geführt hat. SUDEP, das steht für sudden unexpected death from epilepsy. Plötzlich und unerwartet.
Ich war nicht Zuhause, ich war gerade für den Bundestag in Erfurt. Als Scott mich anrief, setzte ich mich sofort in ein Taxi nach Berlin, kam aber nicht mehr rechtzeitig an, um John noch sehen zu können. Ein Polizist sagte mir am Telefon, sie dürften Johns Leichnam nicht alleine lassen und würden dann solange in unserer Wohnung warten müssen, bis ich ankomme. Ich war laut Navigationsgerät eine Stunde und 15 Minuten entfernt. Der Polizist sagte, er könne eine solche Wartezeit nicht rechtfertigen.
Johns Leichnam wurde beschlagnahmt und abtransportiert. Normale Routine, wie man uns sagte, wenn jemand Zuhause stirbt. In der Zwischenzeit hatte die Polizei zum Glück die Seelsorge angerufen und es waren zwei Seelsorger gekommen, die solange bei Scott blieben, bis ich ankam. Zwei sehr nette Menschen, die uns auch erste Tipps für das gaben, was nun kommen würde. Sehr wertvoll zum Beispiel war der Hinweis auf ein Netzwerk für Abschiedskultur, PortaDora.
Die Polizei hatte uns die Nummer des Bestattungsinstituts gegeben, welches John mitgenommen hatte. Am Morgen rief ich dort gleich an und sagte, dass wir John gerne sehen würden. Uns wurde mitgeteilt, dass das auf gar keinen Fall möglich sei. Solange die Staatsanwaltschaft den Leichnam nicht freigegeben habe, dürften wir John nicht sehen. Das erschien uns kolossal unmenschlich. „Wie lange könnte das dauern?“, fragten wir nach. Man sagte uns, wahrscheinlich zwischen Mittwoch und Freitag der folgenden Woche. In der Zwischenzeit wussten wir nur, dass unser totes Kind irgendwo in Berlin in einer Gerichtsmedizin liegt und dass wir nicht zu ihm dürfen. Wie soll man das aushalten? Die Wohnung war ganz leer und ganz still. Wir im totalen Schockzustand.
Wir konnten nicht essen und nicht schlafen. An die ersten beiden Tage, Samstag und Sonntag, habe ich fast keine Erinnerung mehr. Ich weiß noch, dass wir einmal den Fernseher anschalteten, um Nachrichten zu sehen, und dass mir schon fünf Minuten danach keine einzige Nachricht mehr in Erinnerung war. Mein Kopf war ein Sieb, durch das alles hindurch fiel, außer die Buchstaben J-O-H-N. Ich hätte nicht sagen können, was wir vor einer Stunde gemacht haben, geschweige denn am Tag zuvor. Wir saßen nur da, Körper und Geist waren sich in einer einzigen Sache einig: in der totalen Zurückweisung dessen, was aber doch wahr war.
Montag bis Mittwoch
Am Montagmorgen beruhigte mich ein Telefonat mit dem verantwortlichen Kriminalpolizisten. Er versicherte uns, noch am selben Tag seinen Bericht fertig zu stellen und an die Staatsanwaltschaft zu leiten. Er hatte die Angaben des Notarztes vorliegen, hatte aus unserer Wohnung Johns letzte Arztbriefe aus dem Epilepsiezentrum im Januar mitgenommen, telefonierte zusätzlich noch mit Johns Ärzten und hatte in seinen Dienstjahren schon mehrere Fälle von SUDEP erlebt. Es war keine Frage von Fremdverschulden und der Kripobeamte stellte uns in Aussicht, John bald sehen zu können. Auch schlug er keine Obduktion vor.
Ich war erleichtert, denn ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man John aufschneiden würde. Natürlich waren Scott und ich auch auf der Suche nach Antworten. Was war bloß geschehen? Aber eine Obduktion würde uns aller Wahrscheinlichkeit nach keine Antworten geben. Wir lasen von SUDEP, dass es medizinisch noch nicht erklärt werden kann. Und schon von Beginn an war Johns Krankengeschichte ein Rätsel gewesen, Experten auf zwei Kontinenten ratlos. Wir wussten im Grunde nichts, gar nichts. Das hatten wir in Johns Leben akzeptiert und das würden wir auch jetzt in seinem Tod akzeptieren müssen. Kein Wissen, kein verstehen oder erklären können.
Trotzdem hatten wir John bis jetzt immer helfen können und immer bemerkt, wenn etwas nicht stimmte. Warum hatten wir dieses Mal bloß nichts bemerkt? Wir hatten die ganze Zeit das Lied „Pink Rabbits“ von The National im Kopf, diese intensive Version des tiny desk concerts. So schlimm die Stelle: You didn’t see me, I was falling apart.
Unser Verstand sagte: Wahrscheinlich konnten wir vorher gar nichts ahnen. Ich hatte noch am Freitagabend mit John telefoniert, er war gut gelaunt gewesen und als ich ihm sagte: „Montag kommt Mama wieder nach Hause“, hatte er gelacht und sich offensichtlich gefreut. John war auch in der ganzen vorigen Woche gut zufrieden gewesen. Trotzdem hatten wir immer dieses Lied im Ohr, weil wir John nicht vor dem Tod hatten beschützen können. Scott zeigte mir ein anderes tiny desk concert, von Wilco. Es war das letzte, was John vor dem Zubettgehen angesehen hatte. Zu „I’m always in love“ hatte er auf dem Sofa noch seinen signature dance, den rudernden Sitztanz vollführt, kurz bevor er starb.
Freunde brachten uns Essen vorbei, was uns sehr half, denn an Dinge wie einkaufen oder kochen war gar nicht zu denken. Wir schliefen maximal zwei Stunden am Stück, spürten aber keine Müdigkeit. Wir bangten darum, ob die Staatsanwaltschaft dem Bericht der Kriminalpolizisten folgen und von einer Obduktion absehen würde. Ich merkte, wie wichtig es für mich war, dass John im Tod wenigstens noch ganz bleiben durfte. Ich wollte, dass sein Leichnam so wenig wie möglich gestört wurde.
Die Seelsorgerin hatte uns ein paar Kontaktdaten zu verschiedenen Bestattern gegeben. Wir sahen uns die Websites an und uns gefiel, was wir in einem Artikel über Lea von Charon Bestattungen lasen. Sie wurde uns auch noch von anderer Seite empfohlen und schon das erste Gespräch mit ihr tat mir gut. Ich fühlte ja nur diese Leere und darunter einen unfassbaren, bodenlosen Schmerz. Sie erklärte mir, dass ich es mir vielleicht vorstellen könnte, wie wenn man im Winter aus der Kälte nach drinnen kommt und die verfrorene Hand in warmes Wasser legt. Das Wasser kommt einem dann ganz heiß vor und man muss die Hand sofort wieder rausziehen. Dann legt man sie wieder hinein und jedes Mal kann man es ein bisschen länger aushalten, bis Hand und Wasser sich angepasst haben.
So war es tatsächlich. Es ist wohl ein Schutzmechanismus der Psyche, dass man das Ausmaß der Katastrophe immer nur in kleinen Teilen weiter und weiter begreifen kann. In den ersten Tagen konnte ich mir kaum zwei oder drei Fotos von John ansehen. Dann ging es immer besser und nach ein paar Tagen sahen wir uns permanent Bilder von John an, aus allen Lebensjahren, und begannen damit, für die Trauerfeier eine große Collage zu erstellen.
Am Anfang war es auch unglaublich schwer, in Johns Zimmer zu gehen. Alles darin war John und es überwältigte uns. Mit den Tagen aber gingen wir immer länger und immer lieber in sein Zimmer. An einem Abend setzten wir uns mit einer Flasche Sekt auf den Boden in Johns Zimmer, erzählten uns Geschichten aus seinem Leben und es war, als ob wir mit ihm sprechen konnten.
Wie sollten wir weiterleben, wenn uns das Liebste genommen worden war? Lea schätzte es so ein: Wir hatten mit John so viele schwere Situationen überstanden, bestimmt hätten wir die Kraft schon in uns, die wir nun brauchen würden. Wir waren uns nicht sicher, aber was wir wussten: So, wie wir John fünfzehneinhalb Jahre lang gepflegt, umsorgt und bedingungslos geliebt haben, so wollten wir ihn auch bei jedem Schritt auf diesem letzten Weg begleiten. So viel wie möglich wollten wir selbst machen.
Am Mittwoch, den 9. März kam die erlösende Nachricht der Staatsanwaltschaft, dass Johns Leichnam ohne Obduktion freigegeben worden war. Wir konnten John endlich wieder sehen, vier lange Tage hatten wir gewartet. Ich war enorm aufgeregt und kann gar nicht beschreiben, wie gut es war, John endlich zu sehen und berühren zu können.
Auf seinem Brustkorb klebten noch die Pflaster von den Wiederbelebungsversuchen, sonst sah er ganz friedlich aus. Vorsichtig entfernten wir die Pflaster, wuschen John und zogen ihm die Kleidung an, die wir Zuhause für ihn ausgesucht hatten. Lea und ihr Vater waren dabei, sie gaben Scott und mir Tipps, wie man am besten die Jeanshose anzieht oder den Pullover. Sie fassten mit an, wenn es nötig war, aber sonst ließen sie es uns alleine machen. Gemeinsam hoben wir John in den Sarg. Scott und ich hatten von Zuhause Kissen, Decke, Johns Lieblings-Holzpuzzle und sein Lieblings-Wimmelbuch mitgebracht, die wir zu John legten.
Wir verbrachten zwei Stunden mit John und es war irgendwie beruhigend. In der folgenden Nacht schlief ich das erste Mal seit Johns Tod sechs Stunden durch. Und wachte erschrocken auf: Wie konnte ich nur sechs Stunden schlafen, wenn mein Kind tot ist?
Donnerstag bis Dienstag
Zwei Tage nachdem wir John in den Sarg gelegt hatten, fuhren wir für eine erste Abschiednahme am offenen Sarg wieder zum Fuhrunternehmen Gustav Schöne am Richardplatz in Neukölln, wo Johns Leichnam aufbewahrt wurde. Leas Vater war da, wir dekorierten den Raum, zuerst waren Scott und ich eine Weile mit John alleine, dann kamen neben dem Pfarrer auch meine Eltern dazu, die am Donnerstag in Berlin angekommen waren, und schließlich noch ein paar Freunde. Wieder tat es uns sehr gut, zwei Stunden mit John zu verbringen.
In der Zwischenzeit hatten wir auch zwei ganz wichtige Fragen gelöst: Bestattungsart und Bestattungsort. Direkt nach Johns Tod hatten wir gedacht, dass wir eine Kremation wünschen. Je mehr Zeit verging, umso unsicherer wurden wir uns aber. Wir lasen über die verschiedenen Bestattungsarten und ich sprach mit Lea darüber. Was eine Erdbestattung betrifft, hatte ich diese gängige Angst im Kopf, dass der Körper unter der Erde von Würmern angefressen wird. Es stellte sich heraus, dass dem gar nicht so ist. Der Sarg liegt so tief, dass es dort keine Würmer mehr gibt.
Demgegenüber hatte ich eine viel zu harmlose Vorstellung von der Kremation gehabt. Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie der Körper bei höchster Hitze verbrannt wird, und ich wusste nicht, dass dabei 95% der Materie in einem gasförmigen Zustand in die Luft gehen, aber 5% Mineralien übrig bleiben, die Knochen, die in einer Mühle zermahlen werden und das bilden, was wir Asche nennen, was aber in Wirklichkeit gemahlene Knochen, also eine Art Sand ist. Ich war erschrocken, wie wenig ich tatsächlich über Feuer- und Erdbestattung wusste und uns fiel es schwer, eine Entscheidung zu treffen.
Lea kam uns mit guten Denkanstößen zu Hilfe. Sie sagte, man könne darüber nachdenken, dass bei der Kremation der Körper an die Elemente Feuer und Luft gegeben wird, bei der Erdbestattung an die Elemente Erde und Wasser. Welche Elemente passten denn eher zu John? Man konnte auch darüber nachdenken, ob er eher ein schneller Typ war oder ob er sich seine Zeit genommen hat? Die Erdbestattung erlaubt den natürlichen Auflösungsprozess innerhalb von 20 Jahren, der bei der Kremation auf eine Dauer von 45 Minuten beschleunigt wird.
Wir dachten viel nach. John war eigentlich eher ein erdiger Typ gewesen und sein Element war zweifelsohne das Wasser. Er war gut darin gewesen, sich seine Zeit und seinen Raum zu nehmen. Er war sehr naturverbunden und nahm in der Natur immer wieder Dinge wahr, die uns entgingen. Und wir dachten: Wenn John schon so ein verkürztes Leben hatte und nur 15 Jahre alt werden durfte, dann soll er doch wenigstens im Gehen alle Zeit der Welt haben. Erdbestattung also. So unsicher wir uns gewesen waren, nach ein paar Tagen war die Entscheidung für uns glasklar.
In den Tagen nach Johns Tod besuchten und durchwanderten wir auch einige Friedhöfe. Lea hatte uns vorgeschlagen, hinzufahren und zu laufen, um ein Gefühl für die Orte zu bekommen. Ein weiterer wichtiger Hinweis für uns. Zunächst hatten wir nämlich an den Friedhof Alt-Stralau gedacht, weil wir dort häufiger mit John gewesen waren und weil der kleine Friedhof von Wasser umgeben ist. Als wir aber dort waren, merkten wir sofort, dass es nicht der richtige Ort ist. Auch der Friedhof an der Ackerstraße in der Nähe unserer ehemaligen Wohnung am Arkonaplatz schien uns nicht richtig. Wir hatten schon ein bisschen Angst, dass es sich nirgendwo passend anfühlen würde, doch als wir zum Alten Luisenstädtischen Friedhof in Kreuzberg kamen, wussten wir sofort: Hier ist es. Ein wunderbarer Naturfriedhof.
Mehrfach suchten wir nach dem richtigen Platz und waren glücklich, dass eine Wahlstelle genau da frei war, wo wir es schließlich gerne wollten, eher im hinteren Teil des Friedhofs. Man geht über einen kleinen Hügel (Wikipedia: ehemals ein unfruchtbarer Weinberg) an einer Engelstatue vorbei auf ein Mausoleum zu, und dann liegt rechts eine schöne Lichtung, auf die die Morgensonne scheint. Das war unser Ort, wir waren uns wieder ganz sicher.
Erdbestattung und Platz auf dem Friedhof, mit diesen beiden wichtigen Entscheidungen im Rücken fuhren wir am Dienstag, den 15. März gemeinsam mit meinen Eltern nach Fürstenwalde, wo wir von Johns Schule zu einer Trauerfeier eingeladen waren. Es war gleichzeitig hart und schön, alle wieder zu sehen: Lehrer, Assistenten, Begleitender Dienst, Mitschüler. Johns Tod hatte neben uns als Eltern noch so viele andere Menschen erschüttert. Die Pastorin hielt eine berührende Ansprache, ebenso die Schulleiterin. Wir sahen Fotos von John aus den letzten sechs Schuljahren. Während ein Lied gespielt wurde, brachten die Schüler und Lehrer Dinge für John nach vorne, die sie in einen Korb legten: Kerzen, selbstgemalte Bilder, Texte, Briefe und ein Glas mit seinem geliebten „Rieselsand“ beim Haus Martha, wo lange Johns Klasse gewesen war.
Es war eine bewegende Feier und wir waren wieder so dankbar, dass John in der Burgdorf-Schule so einen guten Ort gefunden hatte. Den Korb durften wir am Ende der Feier mitnehmen. Eine von Johns Mitschülerinnen schrieb in einem Brief an John: „Du gingst ganz leis, Seele aus Licht, schmetterlingsleicht, denken wir alle an Dich.“ Zuhause breiteten wir alles auf Johns Bett aus. Der Esszimmertisch war schon voll von Karten, wir hatten in der Zwischenzeit an die hundert Karten und Briefe erhalten. Die überwältigende Anteilnahme und Unterstützung machten uns sprachlos und halfen uns aber auch, wir waren nicht allein. Und ein kleiner Trost im noch immer Unbegreiflichen: John hat so viele Menschen berührt und bewegt, das bleibt für immer.
Mittwoch bis Freitag
Insgesamt sahen wir John zwischen der Freigabe seines Leichnams und der Beerdigung drei Mal und es gab zwei Abschiednahmen am offenen Sarg. Die letzte Abschiednahme fand am Tag vor der Beerdigung statt, am Donnerstag, den 17. März. Am Vortag waren die Familienangehörigen aus den USA eingeflogen sowie mein Bruder mit Familie aus Norddeutschland eingetroffen und so hatten noch wieder mehr Menschen die Gelegenheit, sich auch von John zu verabschieden.
John war schon knapp zwei Wochen tot, sah aber immer noch sehr friedlich aus. Sein Körper hatte sich ein bisschen gemütlicher gebettet, der Kopf ruhte ein bisschen mehr zur linken Seite. Bei der Abschiednahme dekorierten wir gemeinsam mit den anderen Anwesenden den Sargdeckel mit Teilen von Johns geliebten Holzpuzzles und obenauf mit seinem Namen.
Scott und ich bekamen noch einmal die Möglichkeit, mit John alleine zu sein, was uns auch sehr gut tat, um wirklich endgültig Abschied zu nehmen. Wir legten zusätzlich zu den anderen Dingen, die wir John schon mitgegeben hatten, noch zwei Briefe in seine Hand, die wir ihm geschrieben hatten. Am Ende hoben wir selbst den Deckel auf den Sarg und gemeinsam mit den Taufpaten und anderen Familienangehörigen drehten wir die sechs Schrauben ein.
Jeder Schritt in den zwei Wochen zwischen Tod und Beerdigung war wichtig für uns. Was mir vorher auch nicht so klar war: wie viele Entscheidungen man nach einem Tod treffen muss. Und diese Entscheidungen sind endgültig, wir würden mit ihnen für den Rest unseres Lebens leben. Niemals könnten wir diese Zeit wiederbringen, deshalb brauchten wir diese zwei Wochen.
Am Freitag, den 18. März um 11 Uhr erfolgte dann die Trauerfeier mit der Beerdigung. Wir hatten bei einer Floristin aus dem PortaDora-Netzwerk, Frieda Schwarz, die Blumen bestellt. Sie sollten wiesenmäßig aussehen, das passte am besten zu John. Man hätte es nicht schöner gestalten können. Auch die schlichten Efeuranken auf dem Sarg waren richtig passend für John. Für unser Gesteck hatten wir Frieda die wichtigsten Bildkarten von John gegeben und sie hatte sie sehr schön in unsere Blumen eingearbeitet: Rausgehen, Einkaufen, Pause, Ausflug und natürlich Schwimmen.
Es waren viele Freunde und Familienangehörige aus ganz Deutschland und aus den USA gekommen. Wir hatten unsere Collage mitgebracht. Mein Bruder las die Fürbitten und der Pfarrer sprach sehr schön zu Johns Namenspatronen. In jedem von ihnen konnte man John ein Stück erkennen. Scott hielt eine Ansprache, die genau das ausdrückte, was wir über John sagen wollten. Es war absolut wunderbar, dass Scott diese Kraft hatte. Ich weiß nicht, ob ich es geschafft hätte. Auf dem Weg zum Grab sah ich, wie sich zwei Eichhörnchen um einen Baum herum jagten.
Im Anschluss an die Beerdigung hatten wir zwei Räume im Café Strauss gemietet, nicht weit vom Friedhof entfernt in der Bergmannstraße. Auch dafür waren wir in den beiden Wochen zuvor herumgelaufen, um den richtigen Ort zu finden. Das Café Strauss war perfekt. So ein schönes Café. Wir hatten Schnittchen, Apfelstreusel- und Käsekuchen bestellt und verbrachten dort zwei Stunden gemeinsam mit unseren Gästen. Es war uns ein Bedürfnis, John einen schönen Abschied zu geben und ich glaube, das ist uns auch gelungen.
Seitdem geht der Schmerz weiter. Wir wissen, dass es lange, lange dauern wird. Wie findet man von Drei wieder zurück zu Zwei? Wie kann man ohne sein Kind überleben und leben? Nicht umsonst spricht man von Trauerarbeit. Wir haben gemerkt, dass es sogar körperlich anstrengend ist. An einem Tag tat mir alles weh, es fühlte sich an wie Muskelkater, dabei hatte ich gar nichts gemacht.
Die Erschöpfung wird spürbarer und der Körper holt sich mehr und mehr Schlaf. Im Moment sind Scott und ich noch am liebsten alleine. Wir vermissen John so. Das Plötzliche und Unerwartete ist schwer zu verarbeiten. Wir sind aber in der Trauer auch dankbar für einen schönen Abschied, mit der wertvollen Hilfe unserer Bestatter Lea und Uller Gscheidel, und so dankbar auch für die beeindruckende Unterstützung durch unsere Familie und Freunde, und vor allem dankbar für die Zeit, die wir mit John hatten. Auch wenn sie uns natürlich viel zu kurz vorkommt.
Du gingst ganz leis, Seele aus Licht, schmetterlingsleicht, denken wir alle an Dich.
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Links:
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Wilco: I’m always in love [#]
Charon Bestattungen [#]
Frieda Schwarz [#]
Alter Luisenstädtischer Friedhof [#]
Café Strauss [#]