Larissa Boehning
Alltag. „Fahrräder aus Hof rollen, pünktlich in der Kita sein, Greta macht einen Ausflug, Geschenk für Jette kaufen, Paco früher abholen“, Uhlandstraße, Bleibtreustraße usw.
Suchen und Finden. (Bildsprache: Stoffe aussuchen.)
Alleinsein. („Plötzlich guck ich mal hoch vom Computer, und da steht’n Reh.“)
Schreiben. (Bildsprache: Nähen der Stoffe.)
Kritik. Mutter: „Magst mal kucken?“ – Tochter: „Ja.“ – Larissa Boehning hängt den genähten Stoff auf. – Tochter fragt: „Was hast Du denn da gemacht, Mama?“ Mutter lächelt.
Hannah Dübgen
Schwarzes Bild, Türöffnungsgeräusche, dann Schritte, verschwommenes Bild, Rücken einer blonden Frau. „Wie bewegt sich jemand durch die Stadt, der nicht sieht?“ Diverse Mutmaßungen. Die Autorin interessiert sich für ungewohnte Zugänge zum Gewohnten.
Sie blickt von oben auf den Alexanderplatz und spricht über wirkende Kräfte beim Schlangestehen.
Ungewöhnliche Perspektiven sind „Spitzer der Aufmerksamkeit, mehr noch: sie sind ein Filter, der Neues zum Vorschein bringt.“
Sie versucht in ihren Geschichten, von Menschen und Schicksalen zu erzählen, die ihr fremd sind.
Bewegung hin zum Anderen „ist auch eine Bewegung hin zum Schreiben, in das Schreiben hinein.“ (Bildsprache: Wegfahrender U-Bahn-Zug.)
Roman Ehrlich
„Ich glaube, wenn ich eine Sekte oder eine freikirchliche Gemeinde wäre, dann wäre ich bestimmt eine von denen, die schon ganz oft das Ende der Welt auf einen bestimmten Termin festgesetzt haben, den sie dann doch wieder verschieben mussten, weil ich mir einfach nie vorstellen konnte, dass die Verhältnisse, in denen ich lebe, einfach so weiter bestehen, und das verblüfft mich auch immer wieder. Ich glaube, dass unser Leben, und wonach wir es ausrichten, und was wir uns davon erhoffen, in ganz großem Maß, also hauptsächlich eigentlich, von Erzählungen abhängt, und dass es ganz wichtig ist, dass man dabei eine aktive Rolle einnimmt. Also auf der einen Seite gibt’s da diese großen Erzählungen, die so abstrakte Begriffe betreffen wie Freiheit und Erfolg und Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit, und die sind dann meistens auch verknüpft mit dem Umzug in eine größere Stadt, oder der Anschaffung eines Autos, oder Fernsehgerätes, oder dem Rauchen, und das Komische dabei ist, dass diese Erzählungen eigentlich schon so wie vorgefertigt für einen bereit liegen und sich kaum dadurch verändern, dass ganz viele Leute sie in sich aufnehmen und weitergeben. Vielleicht weil man sich nicht so oft Gedanken macht über die Prozesse, die dem zugrunde liegen, also dass man sich selten die Frage stellt: welche Prozesse laufen da ab, damit am Ende so ein sehr klares Bild entstehen kann? Auf der anderen Seite gibt es diese Erzählungen, die sich Menschen untereinander erzählen, um ihre Wirklichkeit zu begreifen, und die diese Wirklichkeit dadurch immer auch ein Stück weit verändern, also dadurch, wie sie Dinge wahrnehmen oder erfahren, oder woran sie sich erinnern, oder wie sie das einorten und bewerten, woran sich andere Leute für sie erinnert haben, und das wäre dann sowas wie eine kontinuierliche, kleine Revolution der Zustände.“
Verena Güntner
Badeanstalt, Vogelgezwitscher, WC, Snackpoint, tropfender Badeanzug, Rutsche, Wasser, Sprungturm. Frau springt (Autorin?). Pusteblume, Schwimmbecken, Wassergeräusch.
Heinz Helle
Der Autor fährt Zug.
Er sagt, er sei ein etwas langsamer Mensch und deshalb fühle er sich wohl in der Schweiz. „Langsamkeit ist etwas Gutes. Wenn man sich beeilt, übersieht man zu viel.“ (Bildsprache: Betrachtung einer Ente)
Spagat Philosophiestudium und Werbetexten, aber: beide Bereiche versuchen, mit Sprache Probleme zu lösen.
Gang durch einen Supermarkt und durch die Stadt. Freude am Normalen; an dem, was man hat. („Was bedeutet Glück und was hat das mit Normalität zu tun?“)
Aufnahme mit Frau und Baby an einem Brunnen. („Seine Familie gibt ihm die nötige Entspanntheit zum Schreiben.“)
Aufnahme in der Wohnung. In einer Ecke liegt ein Karton herum, im Zimmer gibt es Ikea-Kellerregale.
[Hinweis für die automatische Literaturkritik: Karl-Gustav-Ruch-Pluspunkt Uncoole Einrichtungsgegenstände.]
Zum Ende erklärt eine Frauenstimme: „Weil wir noch ein Schlussbild brauchen und Heinz Helle nicht gut Nein sagen kann, fährt er für uns noch ein bisschen auf seinem Skateboard.“
Nadine Kegele
Lustige Zettel-Animation: die Autorin mag Karaoke, Frühling, Herbst, Aperol Spritz und Milchbärte. Sie mag kein Lakritz, keine Messer (Kill Bill) und auch nicht ihre Oberarme. Sie mag Katzen und Kinder. „Drei Minuten Eigenwerbung sind peinlich, aber scheiß drauf.“
[Gelungener Spaß.]
Benjamin Maack
Spielplatz. Der Autor setzt sich mit einem Rieseneis auf eine Bank. Ironisches Quatschvideo: Parodie auf Casting-Shows. Am Ende bleibt vor allem hängen, dass der Autor die Menschen nicht berühren will.
[Kein gelungener Spaß]
Nikola Anne Mehlhorn
„Arbeiten im musikalischen Bereich, damit ich literarisch frei bin.“ Tusch in Moll: „In Deutschland herrscht eine groteske Ungleichbehandlung der Künste.“ 24 Musik- bzw. 28 Kunsthochschulen gegenüber zwei Literaturinstituten: „Klarer Appell für eine Anti-Arme-Poetenkampagne.“
„Gestorben und wieder auferstanden von den literarisch Toten, nach einer intensiven Familienphase.“
Zeigt „geniale Schreibblockadendesinfektionsstraße.“
Ein Text kann logisch, strukturiert, gut recherchiert und überarbeitet sein und dennoch nicht leben; oder umgekehrt kann ein schlecht konstruierter Text vor Leben strotzen.
Pusteblumen-Fokusspielerei, dann Schriftstellerporträts im Gras.
„Literarische Fixsterne“ / „Weitere Sterne am Literaturhimmel“ („Günther Grass, eingeschränkt“).
[Jede Menge Minuspunkte für Nennung von Autorennamen und Doppelminuspunkt Ingeborg Bachmann].
Joachim Meyerhoff
30 verschiedene Mäusebussarde = 30 verschiedene Arten, etwas auszudrücken.
Der Autor mag Orte, die ganz klar abgegrenzt sind (Psychiatrie, Museum, Theater).
Er hatte ein Gefühl der Biographielosigkeit, dem er begegnen wollte. Sein großes Anliegen ist, sich möglichst genau an viele Dinge zu erinnern. [Knausgård, dachte ich schon beim Lesen von Alle Toten fliegen hoch.]
Lustiger Satz: „Ich kann mich schon im Stehen ärgern.“
Anousch Müller
„Mich gibt’s eigentlich bislang nur im Netz.“
Die Bloggerin und Twitterin geht durch die Natur, inklusive wehende Haare [Minuspunkt Haare im Wind].
„Inzwischen wird eigentlich jede Lebenssituation mit einem Tweet kommentiert, ob ich im Kreißsaal bin oder auf dem Standesamt.“
Der Tweet als kleine biographische Notiz, als Bekenntnis, als Erkenntnis: „Diese kleine Form hat etwas unglaublich Bezwingendes.“
Geburt des Sohnes unterbrach ihr Schreiben kurz, aber mittlerweile glaubt sie, dass das Schreiben eine recht familienfreundliche Tätigkeit sei.
Endeinstellung: Schwenk auf wolkenverhangenen Himmel.
Katja Petrowskaja
Autorin sagt lachend, dass sie „die Welt retten möchte, mindestens.“ [Pluspunkt Größenwahn.]
„Das Schreiben entwickelt sich aus der Unfähigkeit, etwas zu akzeptieren; aus einer Art Lebensschwäche. Schreiben ist ein sehr schönes Bedürfnis, manchmal aber auch ein peinliches. Vielleicht ist es wie der Stoffwechsel.“
Spiegelung in Spielplatzmöbel, Schärfe-Unschärfe-Spielereien der Redaktionscrew. Autorin widersetzt sich am Ende dieser Art des Porträts, denn aus dem Off will ihr eine Stimme andienen zu sagen: „Ich bin…“ und sie antwortet: „Wieso soll ich sagen, wer ich bin? Das ist überhaupt nicht interessant.“
Zé do Rock
Die Hälfte des Porträts ist seine Bühnenshow. So kommt man natürlich auch einigermaßen elegant um diese leidige Angelegenheit herum. Badezimmeraufnahmen am Ende: moderne Armaturen, blaue Accessoires, Handtuchheizung.
Philipp Schönthaler
Ein Einkaufszentrum wird vorgestellt; der Autor liest vermutlich eine Geschichte über eine Shopping Mall: auch eine elegante Lösung, diese Angelegenheit des Videoporträts zu lösen, nah am Thema des Texts, als Ergänzung des Texts. In diesem Sinne auch schön doppeldeutiger Schluss: „Unser Garantieversprechen: kein Imageverlust, für niemand.“
Cordula Simon
Odessa, wieder Spiegel-Spielerei der Redaktion. Große Milchkaffeetasse.
„Leichter als in Graz lebt es sich in Odessa nicht, günstiger aber in jedem Fall.“
Strom- und Wasserausfall als Übung für die Apokalypse.
Einkaufszentrum als „erreichbares Europa.“
Schein trügt, Fassaden verbergen: Motor des Schreibens.
Wünsche oder Erwartungen an die Leser? „Es wäre schön, wenn sie’s danach nicht wegwerfen oder auf Ebay verscherbeln.“