das sich in sich selbst bewegende leben des todes.

„Ist nicht jede Berufstätigkeit, die lediglich der Vermehrung individuellen Reichtums oder Besitzes über das täglich brauchbare Maß hinaus dient, gesellschaftlich zu ächten? Jede einzelne Minute, die ich mit unserer Tochter verbringe und mit ihr die Welt entdecke, in der wir einander kennenlernen und uns aneinander annähern wie aliens, die sich bemühen, die Kommunikationsform des jeweils anderen langsam und wirklich ernsthaft verstehen zu lernen, jede dieser Minuten ist mir eindeutig mehr Wert als alle Jahre mühsamer Berufstätigkeit: als ganze Bücher, große Ausstellungen, Reihen von Hörfunksendungen oder akademische Institutionen, die ich jemals hervorgebracht habe oder noch einmal hervorbringen werde. Ein Lob des transitorischen, doch entscheidenden Glücks in Momenten menschlicher Nähe.“ [#]

(Ähnlich das Gefühl, das ich 2002 hatte, als ich meine gar nicht so schlechte Karriere in Chicago freiwillig und in vollem Bewusstsein aller Konsequenzen und darum doch nicht weniger überzeugt zugunsten von John aufgab, wobei es wegen der massiven, therapieresistenten Epilepsie natürlich auch extreme Umstände waren, die Alternative wäre ein Heim gewesen. So oder so, das Leben ist zu kurz für Karriere, Besitz und ähnlichen Blödsinn.)

5 thoughts on “das sich in sich selbst bewegende leben des todes.

  1. Antworten
    mark793 - 15. Februar 2011

    Ist nicht jede Berufstätigkeit, die lediglich der Vermehrung individuellen Reichtums oder Besitzes über das täglich brauchbare Maß hinaus dient, gesellschaftlich zu ächten?

    Trotz allem, was dafür sprechen mag: nein. Und das sage ich als jemand, dem Luxus, materielle Güter, Altersvorsorge und Ansehen in der Welt nicht wichtig sind. Ich bin aber auch schon nahe genug am Existenzminimum und der Privatpleite vorbeigeschrammt, um froh zu sein, dass das nicht die Rahmenbedingungen sind, unter denen ich meine Tochter großziehen muss, weil meine Frau die klassische Ernährerrolle innehat und sich reinhängt, damit bisschen mehr hängenbleibt als das, was man unmittelbar braucht, um was zu Essen auf den Tisch zu stellen und nicht draußen in Kartons zu hausen. Ginge ja auch irgendwie, das beweisen Tausende obdachloser Menschen tagtäglich. Sind die wirklich glücklicher als wir? Ich weiß nicht. Ich finde das immer problematisch, aus den eigenen Lebensentwürfen irgendwelche kategorischen Imperative abzuleiten, dass alle den gleichen Wertvorstellungen wie ich anzuhängen hätten. Und meine Frau ist mit Sicherheit keine schlechtere Mutter als irgendeine Vollzeitmami, die ständig Ämtern und Behörden irgendwelches Geld rausleiern muss oder es sich auf Kosten ihres Mannes gutgehen lässt. (Sorry für die Polemik, Anwesende sind ausdrücklich NICHT gemeint).

  2. Antworten
    Moni - 15. Februar 2011

    Geld macht das Leben natürlich erheblich leichter, ich hätte gerne etwas mehr davon, um unser Leben etwas leichter zu machen, und dann ist natürlich genau die Frage, wann es denn genug ist. Ich denke, das muss jeder selbst für sich herausfinden und entscheiden. Meine Lebenssituation ist mir vom Schicksal so angetragen worden, ich vermisse meine volle Berufstätigkeit durchaus und hoffe, dass ich sie irgendwann wieder praktizieren werde können. Schön, wenn andere das haben und leben können, ich gönne es jedem. Man findet aber auch ohne das einen Sinn, ich glaube, um diese Erkenntnis ging es mir. Keine kategorischen Imperative, vielmehr ein Ausprobieren einer anderen Perspektive. Die Frage einer gesellschaftlichen Ächtung kann man negativ beantworten und trotzdem erkennen, dass die Frage ihren Sinn hat, und dass darüber nachzudenken lohnt. Ich glaube, es geht gar nicht um Berufstätigkeit versus Vollzeitmutter, zum Glück kam mein Zitat ja auch von einem Mann, sonst hätte man gleich Feminista-issues, ich glaube, es geht eher um etwas Philosophisches.

    Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass sich der glückliche Enthusiasmus, der ja auch aus mediumflows Zeilen spricht, bei den meisten im Laufe der Jahre (leider?) relativiert und Verschiebungen stattfinden zurück zu Wünschen, Tätigkeiten und Einstellungen, die einem vor dem Kind durchaus etwas bedeuteten und zwischenzeitlich in den Hintergrund gerückt waren. Ein bisschen wie in einer Beziehung, irgendwann stellt man fest, dass man von Luft und Liebe alleine nicht leben kann/ will. Aber im Kopf und Herzen erinnert man sich noch gut an dieses Glücksgefühl, so haben mich die Zeilen von mediumflow eben auch nicht an heute erinnert, sondern an das, was ich 2002 gefühlt habe, da war John gerade zwei Jahre alt, heute hat bei mir (wiederum: leider?) schon eine Verschiebung zurück begonnen, das Kind ist zehn Jahre alt, es kommen wieder andere Dinge, aber es war für mich schön zu erfahren, dass man sich beim Lesen eines Textes, der dieses große Gefühl darstellt, wieder zurückversetzen kann – zu wissen, dass das noch in einem ist, if that makes any sense.

  3. Antworten
    mark793 - 15. Februar 2011

    Ich teile dieses enthusiastische Gefühl durchaus, und ich danke der Vorsehung, die es mir ermöglicht hat, das in einem weitaus höheren Maß auszukosten als es einem Vollzeit-Versorger-Vater möglich ist. Und natürlich weiß ich auch um die, nennen wirs mal wear-out-Effekte. Töchterlein wird im Sommer zur Schule gehen, und da möchte ich meine work-life-balance auch wieder etwas mehr in Richtung work nachjustieren.

    Ich kenne den Verfasser des obigen Textfragments und seine Lebenssituation nicht, aber ein Restverdacht bleibt schon, dass ihm diese Minuten vielleicht nicht zuletzt deswegen so kostbar sind, weil es eben nur Minuten sind. Man wüßte schon gern, ob der Enthusiasmus auch anhielte, wenn wir mehr von Stunden, Tagen, Monaten und Jahren sprächen, ob die ganzen anderen Dinge (Texte, Sendungen, Lehraufträge, Projekte, whatever) dann immer noch so bedeutungslos wären. Oder wenn einen dann eben keiner mehr anruft, weil die Auftraggeber denken, der ist eh abgetaucht ins Familienleben, und wir wollen lieber jemanden betrauen, der 24/7 Gewehr bei Fuß steht. Alles schon dagewesen, und vor diesem Hintergrund finde ich allein schon die Fragestellung nach der Ächtungswürdigkeit von irgendwelchen materiellen Überhängen über das Existenzminimum hinaus letztlich doch als ziemlich weit vom Schuss, obschon ich den Gedankengang nachvollziehen kann. Im Zweifelsfall brauchen wir weniger eine Ächtung mehr-als, es wäre schon viel gewonnen, wenn wir die die Ächtung des weniger-als abgestellt bekämen. Oder war das jetzt zu abstrakt-philosophisch? 😉

  4. Antworten
    Moni - 15. Februar 2011

    Ah ja, die Ächtung des weniger-als abzustellen, das wäre mal ein richtig gutes Projekt 🙂

    Was in der Pflege ebenso stimmt wie in der Kindererziehung allgemein: die Dauerhaftigkeit der damit verbundenen Mühen zehrt tatsächlich sehr an einem, bei mir nach zehn Jahren praktisch non-stop merke ich das immer mehr.

    Work-life-balance während der Schulzeit? Die Kinder haben doch ständig Ferien, ich will nicht unnötig Illusionen rauben, aber meine Erfahrung ist die, dass es nach der Einschulung schlimmer wird, als es vorher war, Kitas haben ja meistens nicht so viele Ferien. Aber für ein normales Kind gibt es vielleicht in den Ferien Betreuungsangebote.

  5. Antworten
    mark793 - 15. Februar 2011

    Ferien sind natürlich ein Faktor, klar. Aber die korrelieren z.T. ja auch mit den Saure-Gurken-Zeiten in meinem Business. Ich hoffe mittelfristig auf mehr Selbständigkeit im Alltag der Kleinen. Im Moment kariole ich sie ja noch 3x die Woche zu externen Aktivitäten, das reißt mich immer so raus aus allem. Das wird künftig natürlich auch nicht von jetzt auf gleich auf Null runtergehen, da kommt natürlich auch anderes auf uns zu, Hausaufgaben, AGs, wasauchimmer. Aber ich hoffe darauf, dass ein paar Dinge künftig mit deutlich weniger Zutun von meiner Seite funktionieren, etwa den Schulweg (300m Luftlinie), dass ich nicht mehr jeden Zwischensnack servieren muss und all so was. Das heißt, selbst wenn der Zeitaufwand netto gleich bleiben sollte, zehrt es vielleicht nicht mehr ganz so, wenn sich die Aufgaben etwas wandeln.

    Wobei ich auch konzedieren muss, dass es eigentlich Luxusprobleme sind, von denen ich hier rede. Ich frag mich schon auch immer wieder, wie Du das alles gewuppt kriegst.

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