der guten nachricht folgt die schlechte auf dem fuße.

Champagner! Ein kräftezehrender anderthalbjähriger Protest kommt augenscheinlich zu einem erfolgreichen Ende: in der Plenarsitzung des Berliner Senates wurde gestern in den mündlichen Anfragen über die Zukunft der Schulhelferversorgung an den Förderzentren gesprochen (Minute 44-49). Senator Zöllner hat erstmals öffentlich bekanntgegeben, dass es auch weiterhin und langfristig Schulhelfer an Förderzentren geben wird, und dass die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung sich über die Finanzierung mit der Senatsverwaltung für Finanzen geeinigt hat. (Jetzt müssen wir allerdings noch abwarten, wie es mit der tatsächlichen Umsetzung aussieht, am 23. Juni haben wir den nächsten Termin in der Senatsverwaltung.)

So weit die gute Nachricht. Die schlechte: nun plant das Bezirksamt Pankow die Physiotherapeuten an den Förderzentren ersatzlos zu streichen. Die Pläne sind anscheinend schon weit fortgeschritten oder gar beschlossen, aber wir Eltern haben gerade erst davon erfahren. Wir haben uns schnell mit den Elternvertretungen verschiedener Schulen zusammengeschlossen und eine Resolution gegen diese Pläne verfasst.

Die Arbeit der Physiotherapeuten an den Förderzentren ist elementar wichtig. Für John jetzt nicht so unbedingt, weil er motorisch sehr aktiv ist, aber gerade Kinder mit körperlichen Behinderungen, schwerst-mehrfachbehinderte Kinder, Kinder im Rollstuhl sind auf die physiotherapeutische Versorgung angewiesen: ohne diese Therapien verkrampfen sich die Muskeln oder ganze Gliedmaßen, was zu schweren Beeinträchtigungen führt. Meine Kinderärztin sagte mir erst gestern, dass einige Kinder ohne Physiotherapie auf Dauer im Rollstuhl landen, obwohl sie bei ausreichender Förderung nicht im Rollstuhl sitzen müssten.

Der Bezirk meint anscheinend, dass die Eltern die physiotherapeutische Versorgung außerhalb der Schule selbst gewährleisten können, aber das ist aus vielerlei Gründen problematisch: die Kinder sind bis nachmittags in der Schule und Therapien im Anschluss an den langen Schultag sind wenig effektiv; die Eltern können gerade schwerst-mehrfachbehinderte Kinder oft nicht selbst irgendwohin bringen; viele Eltern sind zudem berufstätig; andere Eltern wiederum kümmern sich nicht genügend um die Therapien ihrer Kinder, in dem Fall wird erst durch die Schule die ausreichende Versorgung und Förderung gewährleistet etc.

Wir haben unsere Resolution an die Medien und bildungpolitischen Sprecher aller Parteien geschickt, sowie auch sonst breit gestreut (Elternvertretungen, Behindertenbeauftragte etc.)

Resolution gegen den Sparwahn in Pankows Sonderschulen

Wir Elternvertreter der Schulen mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten „Geistige Entwicklung“ und „Körperlich-motorische Entwicklung“ im Bezirk Pankow protestieren mit dieser Resolution entschieden gegen die an unseren Schulen geplante Streichung der therapeutischen Fördermaßnahmen.

An unseren Schulen sind Therapeutinnen und Therapeuten tätig, die beim Gesundheitsamt Pankow angestellt sind und in enger Zusammenarbeit mit Lehrern und Eltern die Entwicklung unserer Kinder unterstützen. Diese Einzelförderung ist, wie in allen anderen Berliner Bezirken auch, unverzichtbarer Bestandteil des Bildungsauftrags unserer Schulen und trägt wesentlich zu schulischer und gesellschaftlicher Integration unserer Kinder bei.

Der Bezirk Pankow plant nun aufgrund der Sparvorgaben des Landes Berlin, die Therapeuten und Therapeutinnen aus unseren Schulen ersatzlos abzuziehen. Diese Sparmaßnahme würde dazu führen, dass der integrative Ansatz unserer Schulen nur noch ungenügend erfüllt werden könnte und unseren Kindern ein wesentliches Element ihrer individuellen Förderung genommen würde.

  • Wir empfinden diese Kahlschlagpläne als den unverhohlenen Versuch, zulasten von Kindern mit Behinderungen die Sanierung des Bezirkshaushaltes zu betreiben.
  • Wir empfinden die vorgeschlagene Streichung der Therapeuten-Stellen als eine Bankrotterklärung der Politik an ein integratives Schulsystem.
  • Wir können nicht nachvollziehen, dass ein solcher Vorschlag ernsthaft diskutiert und zugleich Bildung als wichtigstes Zukunftsthema in unserem Land benannt wird.
  • Wir werden nicht zulassen, dass unsere Kinder und Schulen wegen der augenscheinlichen politischen Handlungsunfähigkeit von Bezirk und Senat an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden!
  • Wir Eltern fühlen uns in unseren Bemühungen, in enger Zusammenarbeit mit den Schulen eine positive Entwicklung unserer Kinder zu erreichen, vom Berliner Senat und der Pankower Bezirkspolitik im Stich gelassen.
  • Wir fordern von der Senatorin für Gesundheit, die jahrelange Untätigkeit ihres Hauses auf diesem Gebiet zu beenden und gemeinsam mit den Bezirken konstruktive Lösungsvorschläge zu entwickeln!
  • Wir fordern eine individuelle und optimale Förderung für unsere Kinder – nicht mehr und nicht weniger steht uns und unseren Kindern zu!

Wir verlangen von allen politisch Verantwortlichen im Bezirk und auf Landesebene, den Plänen des Bezirksamtes Pankow die Zustimmung zu verweigern und die beabsichtigte ersatzlose Streichung der Therapiemaßnahmen an unseren Schulen unverzüglich zurückzunehmen.

Elternvertretung der Helene-Haeusler-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Marianne-Buggenhagen-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Panke-Schule, Berlin Pankow
Elternvertretung der Biesalski-Schule, Berlin Steglitz-Zehlendorf

1 thought on “der guten nachricht folgt die schlechte auf dem fuße.

  1. Antworten
    Katja D - 7. Februar 2010

    So wie es aussieht betrifft die Streichung therapeutischer Fördermaßnahmen nun tatsächlich mit Beginn des Jahres mindestens die neu eröffnete Filiale in Mitte der Arno-Fuchs-Schule, die Berolinaschule.

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