Wir waren unterwegs und einiges ist untergegangen. Was mich im März zum Beispiel gefreut hat, war Ekkehard Knörers nostalgischer Text im Merkur über die Weblogs: Feuerzeug, du (Link führt zum Gratis-Download). So schön.
Ein Jahr nach Johns Beerdigung haben Scott und ich uns das erste Mal auf eine Reise gewagt. Etwas hin- und hergerissen zwischen der Idee, dass eine Abwechslung uns gut täte und der Befürchtung, es könnte uns vielleicht auch zu viel werden. Die Angst war unbegründet. John spielte immer wieder eine Rolle und deshalb war er uns auch auf der Reise weiter sehr nah. Ein beruhigendes Gefühl, dass er auf eine Art immer mitkommt – dass das gehen kann.
Easyjet fliegt von Berlin aus günstig und direkt nach Tel Aviv, in nur viereinhalb Stunden und mit nur einer Stunde Zeitumstellung. Ich hatte vor unserer Reise – es war für uns beide das erste Mal in Israel – immer das Gefühl gehabt, es sei weiter weg. Dabei steht man, wenn man morgens um halb acht mit Rückenwind losfliegt, schon um kurz nach eins mittags draußen vor der Ankunftshalle des Flughafens Ben Gurion außerhalb von Tel Aviv.
Wir fuhren mit dem Zug vom Flughafen in die Innenstadt und wechselten am zentralen Busbahnhof HaHagana in einen Bus, der uns direkt vor dem Studioapartment absetzte, das wir in Tel Aviv gemietet hatten. Keine Ahnung, warum ich vorher im Internet ständig las, man solle am besten ein Taxi vom Flughafen nehmen, das sei viel bequemer. Gut, über Berlin könnte man das wahrscheinlich auch sagen, und in Berlin nehme ich auch ein Taxi, wenn ich beruflich fliegen muss. Aber im Urlaub ist das doch etwas anderes. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bekommt man gleich viel mehr von Land und Leuten mit. Wir fanden es jedenfalls sehr leicht, mit dem Zug und dem Bus zu fahren.
Vor unserer Reise haben mich viele gefragt, ob man denn in Israel einfach so herumfahren kann, ob das denn sicher sei usw. Ich hatte zwar gelesen, dass das alles kein Problem ist, aber davon mussten wir uns erst einmal selbst überzeugen. Auch dafür war die Zug-Bus-Kombination perfekt, denn wir merkten gleich, dass in Tel Aviv eigentlich alles genauso funktioniert wie bei uns. Überhaupt dachte ich die ersten Tage ständig: „Eigentlich ja alles wie in Berlin!“ Abends lief auf dem Platz vor unserer Wohnung eine Drag Queen an uns vorbei, Rentner suchten in Papierkörben nach Flaschen, man hörte viele verschiedene Sprachen und überall gab es Falafel. Wenn man wie wir in Berlin in unmittelbarer Nähe zur Sonnenallee wohnt, scheint der Unterschied zwischen Berlin und Tel Aviv durchaus geringer als der, sagen wir, zwischen Berlin und Gifhorn oder Bruchsal.
Unser Eindruck: Tel Aviv ist wie Berlin, nur warm und am Meer. Klingt ganz gut, oder? Wir fanden es jedenfalls super, besonders den Strand und den Carmel Market.
Ein bisschen anders ist, dass in Tel Aviv alles irgendwie halb fertig oder schon wieder halb kaputt ist, wie man es auch aus anderen Mittelmeerländern kennt. Wie sagte eine Frau, die dort schon lange wohnt: „Der Stil ist: gute Idee gehabt, gemacht und irgendwann dann doch lieber einen Kaffee trinken gegangen.“ In unserem Apartmentgebäude hatte man den Flur gestrichen, offensichtlich ohne sich die Mühe zu machen, die Türen vorher abzukleben. Daher gab es viele Farbkleckser, zu deren Entfernung sich dann wohl keiner hatte aufraffen können. Unser Studio war offensichtlich kürzlich renoviert, hatte eine sehr moderne Dusche, aber bei den Fußleisten hatte jemand dann auch die Lust verloren. Wenn wir so durch die Stadt liefen, fiel uns sowas überall auf.
Von Tel Aviv aus fuhren wir an einem Tag mit dem Zug nach Rehovot, wo eine Reiseleiterkollegin von mir wohnt. Wir haben einmal bei einer legendär schwierigen Flusskreuzfahrtgruppe zusammengearbeitet. Da haben wir so viel gemeinsam erlebt und durchgestanden, dass wir auch danach immer in Kontakt blieben sind. In Rehovot zeigten ihr Mann und sie uns eine Orangenplantage, den Weizmann-Campus und dann luden sie uns zu sich nach Hause zum Essen ein. Dort wartete eine Überraschung: Wir bekamen ein Zertifikat für einen Baum, den meine Kollegin und ihr Mann in Johns Namen in einem Erinnerungswald in Galiläa hatten pflanzen lassen. Wie schön!
Nach dem Essen fuhren wir mit ihnen und ihrem Enkelsohn nach Kirjat Gat. Er musste zu seiner Truppe zurück, weil er gerade den Militärdienst absolviert. Ich erinnerte mich daran, wie ich einmal meinen Bruder während seines Wehrdienstes zur Kaserne gefahren hatte. Das war ein ganz anderes Gefühl als hier. Bei uns war das damals viel abstrakter, es gab ja keine unmittelbare Bedrohung. In Israel aber ist die Gefahr, jemanden während des Militärdienstes zu verlieren, ganz real. Einen Enkelsohn hier zum Dienst zurückzubringen, schien mir etwas ganz anderes als damals, als ich meinen Bruder zur Kaserne fuhr. Mit vielen Eindrücken eines israelischen Familienlebens kehrten wir am Ende des Tages mit dem Zug zurück nach Tel Aviv.