israel & palästina [fünfter und letzter teil: jerusalem].

Vier Tage waren wir in Jerusalem und sind von morgens bis abends gelaufen, gelaufen, gelaufen. Haben so vieles gesehen, aber in vier Tagen natürlich dennoch nicht alles. Wir wohnten in einer Airbnb-Wohnung in der Nähe des schönen Mahane-Yehuda-Marktes. Da die Wohnungsbesitzerin den Mietern nicht zutraut, eine koschere Küche zu bewältigen, hat sie die Wohnung zu einer vegetarischen Unterkunft erklärt. Wenn kein Fleisch erlaubt ist, muss man sich um die Trennung zu Milchprodukten keine Sorgen machen. Das Ganze kam mir etwas übertrieben vor. Wenn man eine Wohnung vermietet, die ansonsten auch von niemandem dauerhaft zum Leben benutzt wird, eine ganz klassische Ferienwohnung also, dann könnte man es den Gästen doch auch selbst überlassen, was und wie sie darin kochen.

Nicht in Jerusalem. Nein, in dieser Stadt wird alles zum Kampfgebiet, das merkten wir schnell. Eine Stadt, die komplett aufgeladen ist, religiös hochgerüstet, und zwar von allen Beteiligten, christlich, jüdisch oder muslimisch, zudem manchmal noch geteilt zwischen Mann und Frau. Nervös, argwöhnisch, die eigene Religion offensiv zur Schau stellend, als Selbstbehauptung, aber auch als Demonstration und Protest gegen die anderen, und mitten in dieser absurden Stimmung wird man auch noch permanent bedrängt (Taxifahrer, Verkäufer).

Altstadt Jerusalem

Klagemauer

 

Orthodoxes Viertel Jerusalem

Via Dolorosa

Grabeskirche

Nirgendwo vermisst man Tel Aviv so sehr wie in Jerusalem. Meine Kollegin hatte uns vorgewarnt: „Tel Aviv plays, Jerusalem prays.“ Aber so heftig hatten wir es uns nicht vorgestellt. Als Abschluss unserer Reise kulminierte hier noch einmal alles: die ganzen Probleme, die Widersprüche, das Gefühl der tiefen Beklommenheit aufgrund der ausweglosen Lage. Nach zwei Wochen im Land hatte sich diese Ausweglosigkeit eher deutlicher gezeigt, als irgendwie abgemildert. Und nun Jerusalem, eine Zumutung für die Sinne und den Verstand (was ja nicht automatisch etwas Schlechtes sein muss).

Grabeskirche

Grabeskirche. Scott und ich standen lange im Eingang, in der Nähe des Salbungssteins. Immer neue Menschen knieten am Stein nieder und beteten. Je länger man dort stand, umso bedrückender wurde es. Man kann sich das nicht vorstellen: ein unablässiger Strom von Menschen aus aller Welt. Wirklich von überall her kommen sie zu diesem Stein, beten und weinen und reiben Devotionalien darauf. Glück sieht man dort keines, nur Kummer.

Salbungsstein in der Grabeskirche

Salbungsstein in der Grabeskirche

Salbungsstein in der Grabeskirche

Ich dachte mir: „So ist das, die Menschen aus der ganzen Welt tragen ihre Sorgen zu diesem Stein. Hier ist der Ort, an dem es nichts gibt als Schmerz.“ Und mit hier ist dann nicht mehr der Stein gemeint, sondern die Welt an sich. Es kommt einem dort wirklich so vor. Uns konnte es recht sein, denn für uns gibt es auch nichts mehr, was nicht von unserer Trauer dominiert würde. Aber das Persönliche, Individuelle spielt dort eigentlich keine Rolle, das ist eine universale Dimension, an der man da teilnimmt, alleine schon durch die Beobachtung.

Abends im Internet eine Dokumentation über Jerusalem gefunden und darin den besten Satz gehört: „Silence is the mutual language of all religions.“

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